Wenn Mickey Mouse zur Wahlurne geht "Die Unzufriedenheit in den USA ist riesengroß"

Columbus. Joe der Klempner dürfte keinesfalls einen normalen Wahlschein abgeben, ginge es nach dem Willen der Republikaner, für deren Präsidentschaftskanidaten Samuel Joseph Wurzelbacher neuerdings Wahlkampf macht. Zuhause in "Lucas County" listet das Wählerverzeichnis den Glatzkopf als "Worzelbacher"

Columbus. Joe der Klempner dürfte keinesfalls einen normalen Wahlschein abgeben, ginge es nach dem Willen der Republikaner, für deren Präsidentschaftskanidaten Samuel Joseph Wurzelbacher neuerdings Wahlkampf macht. Zuhause in "Lucas County" listet das Wählerverzeichnis den Glatzkopf als "Worzelbacher". Die Datenbank der nationalen Rentenversicherung führt ihn dagegen mit der richtigen Schreibweise. Das nach dem Debakel von Florida (2000) neu beschlossene Wahlgesetz würde dem Bundesstaat erlauben, Wurzelbacher am Wahltag einen regulären Stimmzettel vorzuenthalten und ihm stattdessen nur einen "vorläufigen" Wahlschein auszuhändigen. Die zuständige Ministerin Jennifer Brunner hält das angesichts der enormen Abweichungen zwischen den Datenbanken des Bundes und der lokalen Wahlaufsicht für unpraktikabel. So kamen von 600000 neuen Registrierungen im Wählerverzeichnis bei einem Routine-Abgleich 200000 als fehlerhaft zurück. "Die meisten Diskrepanzen dürften sich als Tippfehler herausstellen", räumt John McClelland, Sprecher der Republikaner in Ohio, gegenüber unserer Zeitung ein. Bevor er zu einem langen Exkurs ausholt, in dem er sich über die Rolle der den Demokraten nahe stehenden Organisation Acorn auslässt, die in den USA 1,3 Millionen Neuwähler registrierte. Darunter "Mickey Mouse" und andere Fantasie-Gestalten. Assoziativ verknüpft McClelland die Ausschussrate der Acorn-Registrierungen mit den Ergebnissen des Datenbanken-Abgleichs und erhebt einen schweren Vorwurf: "Die Demokraten versuchen, die Wahlen zu stehlen." Ministerin Brunner weist diesen Vorwurf als absurd zurück. Die Probleme rührten in Ohio und andernorts aus der unterschiedlichen Schreibweise von Namen und Adressen, fehlenden Umlauten, falschen Sonderzeichen und harmlosen Drehern. "Offenkundig werden Minderheiten ganz besonders davon getroffen", beobachtet Michael Waldman vom Brennan Center for Justice, der wie andere Wahlrechtsexperten Methode hinter den Beschwerden der Republikaner vermutet. Joe Hallet vom örtlichen "Columbus Dispatch", der die Vorwürfe McClellands geprüft hat, macht auf den Unterschied zwischen fehlerhaften Registrierungen und Wahlbetrug aufmerksam. "Ich bezweifle ernsthaft, dass Mickey Mouse ohne Identitätsnachweis in Ohio seine Stimme abgeben darf." Eine andere Sorge ergibt sich aus der erwarteten Rekordbeteiligung von bis zu 63 Prozent national und mehr als 80 Prozent der Wahlberechtigten in Ohio. Das wirft die Frage nach der Verteilung von Ressourcen auf. 2004 mussten mangels ausreichender Wahlstationen Wähler in überwiegend schwarzen Nachbarschaften bis zu vier Stunden warten, um ihre Stimme abzugeben.Was erklärt, warum diesmal Angehörige von Minderheiten überproportional von der neuen Möglichkeit in 31 Bundesstaaten Gebrauch machen, frühzeitig ihre Stimme abzugeben. Bis zum Wahltag am morgigen Dienstag wird bereits jeder dritte amerikanische Wahlberechtigte gewählt haben.Herr Voigt, Obama liegt in allen Umfragen vorn. Ist die US-Wahl schon gelaufen?Voigt: Da bin ich vorsichtig. In Deutschland haben wir schon erlebt, dass zwischen Umfragen und Wahlergebnissen Welten liegen können. Aber es spricht sicher vieles dafür, dass Obama das Rennen macht. Was ist für die Amerikaner wahlentscheidend?Voigt: Die desolate Wirtschaftslage. Dafür wird vor allem die amtierende Regierung, also auch die Partei der Republikaner, verantwortlich gemacht. Konnten Sie Unterschiede zu früheren US-Wahlkämpfen feststellen?Voigt: Eindeutig ja. Es haben sich hunderttausende junge Leute engagiert, die früher nie zur Wahl gegangen sind. Ich rechne daher auch mit einer deutlich höheren Wahlbeteiligung als bei der letzten Bush-Wahl. Welche Rolle spielt die Hautfarbe im Wettlauf um das Weiße Haus?Voigt: Das ist die große Unbekannte dieser Wahl. Und zwar deshalb, weil Obama nicht in das Raster der Vorurteile über Farbige passt. Obama hat in Harvard studiert, er ist ein Intellektueller. Solche Eigenschaften werden von vielen eher mit Weißen verbunden. Viele Republikaner haben sich von ihrem Präsidenten Bush distanziert. Wie bewerten Sie das?Voigt: Es gibt eine riesengroße Unzufriedenheit in den USA. Auch bei Republikanern. Das gilt für alle politischen Felder. Die Wechselstimmung ist so stark, dass sich selbst der republikanische Präsidentschaftsbewerber John McCain als Kandidat des Wechsels ausgibt. Was ändert sich an der US-Politik, sollte Obama die Wahl gewinnen?Voigt: Er stammt aus einer anderen Generation, die nicht mehr vom kalten Krieg geprägt ist. Außenpolitisch dürfte eine Obama-Regierung deshalb nicht immer zuerst nach Europa blicken, sondern auch in andere Teile der Welt. Wir werden in der Frage des Klimawandels offenere Ohren in Washington finden als bisher. Das könnte auch für die nukleare Abrüstung und die Rüstungskontrolle gelten. Aber insgesamt bleibt Obama der Vertreter einer Weltmacht, die ihre Führungsrolle im westlichen Bündnis wahrnehmen will. Die Finanzkrise hat die USA stark geschwächt. Was bedeutet das für einen künftigen US-Präsidenten?Voigt: Die Finanzkrise wird zum Thema Nummer Eins. Dabei wird dem künftigen Präsidenten schnell klar werden, dass er das Problem nicht allein lösen kann. Er ist auf die Zusammenarbeit mit Europa, Asien und anderen angewiesen. Muss sich Deutschland auf ein stärkeres Engagement in Afghanistan einstellen?Voigt: Die USA werden immer mehr wünschen, als Deutschland in Afghanistan leistet. Aber ich habe meinen amerikanischen Gesprächspartnern stets klar gemacht, dass es für einen dauerhaften Einsatz der Bundeswehr im stark umkämpften Süden dieses Landes keine Mehrheit geben wird.

Am RandeSarah Palin, republikanische US-Vize-Kandidatin, hat sich bei einem Telefonscherz aufs Glatteis führen lassen. "Ich glaube, Sie werden eines Tages auch Präsidentin", sagte ein kanadischer Komiker aus dem frankophonen Quebec, der sich am Telefon als der französische Präsident Nicolas Sarkozy ausgab. Mit einem Lachen habe Palin daraufhin geantwortet: "Vielleicht in acht Jahren." Von dem Telefonscherz berichteten französische Medien.Auch die US-Astronauten Mike Fincke und Greg Chamitoff auf der Internationalen Raumstation (ISS) wollen ihre Stimme abgeben. Nach Nasa-Angaben werden die beiden elektronisch über eine gesicherte Verbindung wählen, die mit dem Johnson-Raumfahrtzentrum in Houston (Texas) verbunden ist. Registriert werden die Astronauten-Stimmen dann von den Wahlhelfern vor Ort. dpa/afp HintergrundUmfragen sehen den Demokraten Barack Obama weiterhin deutlich in Führung vor dem Republikaner John McCain. Einer Erhebung der Zeitung "Washington Post" zufolge liegt der schwarze Senator in genügend Bundesstaaten vorn und käme auf 291 Wahlmänner, McCain lediglich auf 159. Nach einer landesweiten Umfrage der "Washington Post" und des TV-Senders ABC vom Samstag kann Obama auf 53 Prozent der Stimmen hoffen, MCain nur auf 44. dpa

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