Wenn ein Kind drei Eltern hat

Vater, Mutter, Mutter, Kind: Schon im nächsten Jahr könnte im Vereinigten Königreich das erste Baby mit drei genetischen Elternteilen geboren werden. Gestern stimmte das britische Parlament mit großer Mehrheit dafür, dass in begründeten Fällen bei einer künstlichen Befruchtung die DNA von drei Menschen verwendet werden darf.

Die umstrittene Befruchtungsmethode soll jenen Frauen helfen, die an einer seltenen, aber schweren Erbkrankheit leiden. "Das ist ein mutiger Schritt", sagte die konservative Abgeordnete Jane Ellison vom Gesundheitsministerium gestern. Befürworter bezeichneten das historische Ergebnis als "gute Nachrichten für die fortschrittliche Medizin". Die Technik ist laut Ellison für betroffene Familien "ein Licht am Ende des dunklen Tunnels".

Wie etwa für Sharon Bernardi aus dem englischen Sunderland, die alle ihre sieben Kinder aufgrund einer Mitochondriopathie, so der Fachausdruck der Erbkrankheit, verloren hat. Großbritannien ist damit das einzige Land der Welt, das die "Drei-Eltern-Babys", wie sie in vielen Medien bezeichnet werden, erlaubt. Die für den 23. Februar geplante Zustimmung im Oberhaus gilt als reine Formsache.

Der Abstimmung gingen jahrelange, teils hitzige Diskussionen voraus. Ist das Verfahren unmoralisch und unsicher? Wird damit der Weg hin zur Erzeugung von "Designer-Babys" geebnet, wie Kritiker monieren, darunter die anglikanische Kirche von England? Oder stellt die Technik "einen massiven medizinischen Fortschritt" dar? Die an der Universität Newcastle entwickelte Methode zur Mitochondrien-Manipulation betrifft jenen Teil des menschlichen Erbguts, der als mitochondriale DNA bekannt ist. Die winzigen Organellen außerhalb des Zellkerns - sie werden auch als "Kraftwerke" der Zelle bezeichnet - verwandeln Glukose in Energiemoleküle und sind damit unter anderem für die Zellatmung, also für die Energie zuständig. Wenn die aus 37 Genen bestehenden Mitochondrien jedoch mutieren, leiden die Patienten häufig unter Muskelerkrankungen, haben Diabetes oder sind von Organerkrankungen betroffen. Schädigungen durch solch eine Fehlfunktion, die lediglich mütterlicherseits weitergegeben wird, können sich demnach sowohl im Gehirn, im Auge, in der Leber oder den Nieren, in den Muskeln oder im Nervensystem entwickeln. Schätzungen gehen davon aus, dass etwa eins von 6500 Kindern in Großbritannien mit dieser Erbkrankheit zur Welt kommt.

Bei der Mitochondrien-Manipulation wird die Übertragung dieses Teils der DNA von der Mutter auf das Kind blockiert, indem die beschädigte Mitochondrie entnommen und durch die gesunde einer zweiten Frau ersetzt wird. Die auf diese Weise veränderte Eizelle wird dann im Reagenzglas mit dem Sperma des Vaters befruchtet und in die Gebärmutter der Mutter eingesetzt. Auch wenn Kinder von Eizellen- und Samenspendern auf der Insel das Recht genießen, später ihre biologischen Eltern kennenzulernen, soll die Mitochondrien-Spenderin anonym bleiben. Ein Grund dafür ist, dass ihr Anteil an den Erbanlagen gering ausfällt. Auch wenn die DNA einer Mitochondrie größtmöglichen Schaden anrichten kann, macht sie dennoch nur ein Prozent der gesamten DNA in einer menschlichen Zelle aus und enthält kein charakterprägendes Erbmaterial.

Nachdem in den USA die Manipulation nach Sicherheits- und Ethikbedenken 2002 nach kurzer Zeit wieder verboten wurde, ist Großbritannien nun das einzige Land, das die Technik in weiterentwickelter und abgewandelter Form erlaubt. In Deutschland war das Verfahren nie zugelassen.

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