Wenn ein Handy zur Gefahr an Bord wird

Louisville · Rauch kommt aus einem Galaxy Note 7, ein Flugzeug wird in den USA geräumt – spitzt sich das Problem von Samsung mit dem zurückgerufenen Modell jetzt noch zu? Denn es soll ein Austauschgerät gewesen sein.

 Es ist eine kurios wirkende Auflistung: Aber ein explodierendes Handy kann in einem Flugzeug für Lebensgefahr sorgen. Genau wie eine Bombe oder eine Pistole? Foto: Fotolia

Es ist eine kurios wirkende Auflistung: Aber ein explodierendes Handy kann in einem Flugzeug für Lebensgefahr sorgen. Genau wie eine Bombe oder eine Pistole? Foto: Fotolia

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Check-in, Boarding - alles läuft ohne größere Probleme. Sehr zur Freude von Brian Green. Der Geschäftsmann hat einen dringenden Termin in Baltimore. Er betritt am Louisville International Airport die Maschine der Southwest Airline, setzt sich. Da fordert die Stewardess ihn schon auf, sein Samsung Galaxy Note 7 auszuschalten. Das Smartphone hat in den vergangenen Wochen wegen des explodierenden Akkus für zu viele negative Schlagzeilen gesorgt. Green schaltet das Gerät aus.

Wenige Sekunden später hört er plötzlich einen dumpfen Knall. "Ein Plastikbeutel", denkt Green. Nur: Es ist kein Beutel, sondern sein Smartphone. "Elektronischer Rauch" wabert dicht um das Gerät. "Ein braunes, grün-graues, echt hässliches Zeug", sagt Green später in die Kameras des lokalen Senders Wave 3. Er wirft das Gerät hastig zu Boden. Die Maschine steht glücklicherweise noch am Gate - und wird schnell evakuiert. Von den 75 Menschen an Bord, darunter auch die Crew, wird niemand verletzt. Nur ein Stück Teppichboden verschmort - an der Stelle, an der Green sein Smartphone hingeworfen hat.

So glimpflich wie für Green und die Passagiere des Southwest-Flugs wird die Sache für Samsung nicht ausgehen. Denn das Smartphone war dem Besitzer zufolge ein Austauschgerät. Er habe es erst vor zwei Wochen zuvor abgeholt, nachdem er sein Anfang September gekauftes Exemplar wegen des weltweiten Rückrufs eingetauscht hatte. Und auf der Verpackung habe gestanden, dass es sich dabei um ein "einwandfreies Gerät" gehandelt habe, erzählt Green.

Nun ist es zweifelsfrei ein Fall für die US-Verbraucherschutzbehörde CPSC. Man habe unter anderem die Luftaufsicht FAA und Samsung um Informationen gebeten, erklärte CPSC-Chef Elliot F. Kaye mittags dem Tech-Blog "The Verge". Bei der freundlichen Bitte wird es nicht bleiben: Die mächtige Behörde hatte bereits Mitte September den offiziellen Rückruf des Problemhandys in den USA erzwungen. Dabei wurde auch bekannt, dass allein in den USA bis dahin 92 Fälle von Überhitzung gemeldet wurden.

Beim Elektronik-Riesen gibt man sich bedeckt. Eine Sprecherin erklärte auf Nachfrage nur, zum Vorfall im Flugzeug keine Angaben machen zu können. Man arbeite aber mit der Airline und den Behörden zusammen, um Greens Smartphone untersuchen zu können. Anfang September hatte Samsung nach zahlreichen Zwischenfällen die Gefährdung infolge von Akku-Problemen bei dem Phablet - einer Mischung aus Smartphone und Tablet-Computer - eingeräumt und eine weltweite Austausch-Aktion angekündigt. Erst vor wenigen Tagen brachte der Konzern das Modell in Südkorea wieder auf den Markt. In Europa soll es vom 28. Oktober an wieder regulär verkauft werden.

Und nun der Zwischenfall in einem Flugzeug. Eine besonders heikle Angelegenheit. Die US-Flugaufsicht FAA hatte bereits am 8. September den Betrieb von Note-7-Geräten an Bord untersagt. Die europäische Luftfahrtbehörde EASA zog einen Tag später mit einer ähnlichen Anweisung nach. Danach dürfen Passagiere und Crew-Mitglieder die Geräte weder anmachen, noch laden. Sie dürfen auch nicht in aufgegebenem Gepäck verstaut werden.

Seither wird an Bord eigens auf das Nutzungsverbot für das Samsung-Gerät hingewiesen - keine gute Werbung für den Konzern. Denn Feuer gehört zu den bedrohlichsten Szenarien in Flugzeugen. Nach Einschätzung von Marktforschern wird das Note-7-Debakel das Geschäft von Samsung auf Monate massiv beeinträchtigen. "Wir rechnen mit einem spürbaren Rückschlag für das Geschäft - möglicherweise auch noch im Weihnachtsquartal", sagte Analystin Roberta Cozza vom IT-Marktforscher Gartner gestern. Cozza hob besonders den Zwischenfall im Flugzeug hervor. Wenn es sich tatsächlich um ein Austauschgerät handelte, "könnte das Problem viel größer sein, als wir bisher annehmen."

Besonders bitter für den Hersteller: Gerade nun, wo das iPhone-Geschäft des großen Rivalen Apple erstmals etwas an Schwung zu verlieren scheint, wäre ja der perfekte Zeitpunkt für eine Marktoffensive.

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