Wenn die Serviette den Krebs bringt

Berlin · Druckerfarbe auf Papierservietten, Papptellern und Bäckertüten enthält oft krebserregende Chemikalien. Das ergab eine Studie im Auftrag von sieben Bundesländern. Der Agrarminister fordert nun strengere EU-Gesetze.

Sie sind praktisch und vor allem bequem: Papierservietten dürfen in den allermeisten Haushalten nicht fehlen. Auch ein privates Grillfest ohne Pappteller und Pappbecher ist für viele mittlerweile schwer vorstellbar. Sind diese willkommenen Helfer im Haushalt allerdings bunt bedruckt, kann es gefährlich werden. Denn die Farben enthalten häufig giftige Substanzen, im Fachjargon "primäre aromatische Amine" genannt, wie das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) festgestellt hat. Und diese Stoffe können leicht in Lebensmittel übergehen.

Im Auftrag von sieben Bundesländern, darunter auch das Saarland, untersuchte die Behörde bestimmte Verpackungen auf diese Substanzen. Das Ergebnis klingt alarmierend: Die Druckfarbenbestandteile in den Lebensmitteln überschreiten oft die gesundheitlich vertretbaren Schwellen. Die Folge können Schäden an Niere und Leber sein, aber auch Lymphknoten und Krebs. Dringende Empfehlung des Instituts: "Verbraucher sollten so wenig wie möglich in Kontakt mit diesen Substanzen kommen". Zudem müssten die Grenzwerte überprüft werden.

Für Philip Heldt, Experte für Produktsicherheit bei der Verbraucherschutzzentrale Nordrhein-Westfalen, ist das Problem nicht neu. "Dass aus Druckfarben Rückstände auf Lebensmittel übergehen, wissen wir schon seit Langem", sagte Heldt im Gespräch mit unserer Zeitung. So sei zum Beispiel auch bekannt, dass Lebensmittelverpackungen Mineralölanteile enthielten, die besonders in fettreiche Lebensmittel gelangen könnten. Einige Firmen hätten sich deshalb entschlossen, ihre Produkte extra in Plastikfolien zu stecken, damit sie nicht lose in den Verpackungen lägen. "Problematisch ist allerdings, dass dadurch noch mehr Abfall entsteht", erläuterte Heldt.

Nun gibt es durchaus ungefährliche Druckfarben, doch die kosten eben auch mehr Geld. Nach Heldts Einschätzung muss deshalb der Gesetzgeber ran. "Die Vorgaben für die Hersteller sind schlicht zu lax." Den Verbrauchern könne man einstweilen nur raten, unbedruckte Papierservietten oder Pappteller zu verwenden. "Aber letztlich muss der Trend zum nachhaltigen Drucken hingehen. Dieser Markt ist noch stark ausbaufähig", meinte Heldt.

Dabei geht es übrigens nicht nur um Servietten oder Pappgeschirr. Auch in Bäckertüten, Kuchen-Förmchen oder bunten Nudelverpackungen können giftige Gefahren lauern. Nicht wenige davon sind offenbar noch völlig unerforscht. Auf der Homepage des zuständigen Bundeslandwirtschaftsministeriums wird von Kontrollen der Länder berichtet, bei denen Chemikalien aus Druckfarben "mit unbekanntem toxikologischen Wirkpotenzial" nachgewiesen wurden.

Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt (CSU ) plant deshalb eine grundlegende Änderung der Druckfarben-Verordnung. Darin enthalten sind strengere Grenzwerte und eine "Positivliste" mit Stoffen, die zulässig sind und bereits auf ihre gesundheitlichen Risiken getestet wurden. Ob es bei Papptellern und Verpackungen dann weniger bunt zugeht, werde sich zeigen, meinte ein Sprecher des Ressorts. Die Verordnung befindet sich gegenwärtig in der internen Abstimmung und muss anschließend noch in Brüssel auf ihre Verträglichkeit mit den entsprechenden EU-Bestimmungen geprüft werden.

Bei der SPD rennt der Landwirtschaftsminister mit seinen Plänen offene Türen ein. "Das darf kein Sommerlochthema sein", erklärte die verbraucherschutzpolitische Sprecherin, Elvira Drobinski-Weiß, gegenüber unserer Zeitung. Wenn der Minister jetzt Druck mache, dann könne man das nur unterstützen. "Es ist viel darüber geredet worden, aber viel zu wenig passiert", so die SPD-Politikerin.

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