Wenn der Speck aus Tofu ist

Der Speck riecht wunderbar. Würzig und rauchig.

 Die Saarbrücker Lyudmila Valcheva und Alexander Weber im Biomarkt um die Ecke: Wo hier vegan drauf steht, ist es meist auch drin. Foto: Iris Maurer

Die Saarbrücker Lyudmila Valcheva und Alexander Weber im Biomarkt um die Ecke: Wo hier vegan drauf steht, ist es meist auch drin. Foto: Iris Maurer

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 Fleisch kommt dieser Runde nicht auf den Tisch. Foto: mast

Fleisch kommt dieser Runde nicht auf den Tisch. Foto: mast

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Es brutzelt und zischt, als Alexander Weber mit einem Kochlöffel die kleinen weißen Würfel in der Pfanne wendet. Weiß? Weiß! Denn was hier so einladend duftet, ist kein Speck, sondern geräucherter Tofu . Angebraten mit Zwiebeln, abgelöscht mit Sojasahne, verfeinert mit Kräutern und Gewürzen - fertig ist eine Carbonara-Soße ohne ein einziges tierisches Produkt.

Wie viele Menschen in Deutschland vegan leben, ist schwer zu sagen. Rund 800 000, schätzt der Vegetarierbund. Doch fest steht: Es werden mehr, und in den vergangenen Jahren hat die Bewegung eine neue Qualität, ein neues Image bekommen. Vorbei sind die Zeiten, in denen Veganer über einen Kamm geschert als militante Tierschützer galten, die mit Beuteln voll falschem Blut werfen und Fleischesser als Mörder beschimpfen. Vegan wird normal. Es gibt vegane Restaurants und Cafés, sogar eine eigene Supermarktkette. Auch im Saarland ist die Bewegung sehr rege. Zwar gibt es kein rein veganes Restaurant oder Café, trotzdem kann bei Veganern die eigene Küche auch mal kalt bleiben. Denn immer häufiger stehen Gerichte ohne tierische Produkte auf den Speisekarten. Der Vegi-Stammtisch Saarbrücken trifft sich einmal im Monat zum gemeinsamen Schlemmen. Ein fünfgängiges Menü gibt es bei den privaten Dinner-Abenden im Supperclub "Vegan im Bliesgau". Auch die Mensa der Saarbrücker Uni bietet täglich veganes Essen an. Die Tierversuchsgegner Saar laden monatlich zum Brunch.

Alexander Weber (39) hat sich heute mit zwei Freundinnen getroffen, sie wollen ein dreigängiges Menü kochen: Bulgur-Salat, zweierlei Pasta und Mousse au Chocolat. Die Zutaten dafür liegen schon auf dem Tisch in der kleinen Küche in Saarbrücken. Bananen, Tomaten, Basilikum, Petersilie , eine Zitrone, dunkle Schokolade, Tofu , Soja-Joghurt, Agaven-Sirup, Soja-Sahne und Rotwein. Daneben steht eine Schale mit Mandeln und Trockenfrüchten. "Mandeln enthalten viel Eisen, deshalb esse ich sie immer zwischendurch", sagt Lyudmila Valcheva (26). "Wer kein Fleisch isst, muss darauf besonders achten." Seunghye Lee (28) blättert in dem Kochbuch, das Weber mitgebracht hat: "Vegan for Fun" von Fernsehkoch Attila Hildmann. Das Laptop auf der Fensterbank spielt "Why does my heart feel so bad" von Moby. "Sogar die Musik ist vegan", sagt Weber und erntet verwirrte Blicke. "Moby, er ist Veganer ."

Eingekauft haben die drei zuvor im Biomarkt um die Ecke. Viele Zutaten für ihre Rezepte bekommen sie auch im normalen Supermarkt, vor allem Obst, Gemüse und Kräuter, inzwischen auch Soja-Produkte. Im Biomarkt finden sie sich trotzdem schneller zurecht. Wo hier vegan drin ist, steht es meistens auch drauf. Denn nicht alles, was auf den ersten Blick rein pflanzlich erscheint, ist es auch tatsächlich. Der Teufel steckt im Detail. So wird Wein oft mit Gelatine geklärt. In Margarine können tierische Fette verarbeitet sein, im Brot Laktose.

Wie viele Dinge, die anders sind und dazu noch mit Verzicht verbunden, ist auch vegane Ernährung umstritten. Marie-Louise Conen von der IKK Südwest hält sie für "durchaus gesund und bedarfsgerecht". Das Problem sei, dass es bisher kaum verlässliche Studien dazu gebe. Uwe Lauer - Ernährungsberater, seit 25 Jahren Vegetarier und früher Koch im Restaurant Tierlieb in Saarbrücken - empfiehlt vegane Ernährung aber nur Menschen zwischen 35 und 55. "Dann ist der Stoffwechsel stabil", sagt er. Bis zum 35. Lebensjahr sei der Körper in der anabolen Phase, also im Aufbau. In dieser Zeit auf die essenziellen Nährstoffe in Milch oder Eiern zu verzichten, könne schnell zu Mangelerscheinungen führen. "Es ist sehr schwer, diese Fettsäuren, Eiweiße, Mineralstoffe und Vitamine zu ersetzen." Lauer und Conen empfehlen, sich gut zu informieren und beim Arzt Blutbild und Verdauung überprüfen zu lassen, bevor man sich vegan ernähret. Außerdem sei es wichtig, nicht abrupt umzustellen, sondern nach und nach.

Lee, die aus Seoul kommt, ist tatsächlich mehr oder weniger von heute auf morgen Veganerin geworden. "Ich wollte mich gesünder ernähren, also habe ich mir aus Neugier vor einem Flug nach L.A. zwei Bücher über Veganismus gekauft. Zuhause habe ich zum Frühstück noch Eier und Würstchen gegessen. Als ich ankam, habe ich meinem Freund am Flughafen gesagt: Ich werde Veganerin", erzählt sie lachend. Da in Korea aber ohnehin nicht viel mit Milch und Eiern gekocht werde, sei der Sprung nicht so groß gewesen.

Die anderen beiden gingen es Schritt für Schritt an. "Ich lebe noch nicht komplett vegan", sagt Studentin Valcheva. Die gebürtige Bulgarin will es nicht überstürzen. "Es soll kein Zwang sein." Weber hat sein letztes Fleischgulasch an Silvester 2011 gegessen, seit Mitte 2012 ist er Veganer . "Ich habe früher sehr viel Fleisch gegessen. Ich hatte das Gefühl, süchtig zu sein. Und obwohl ich schon immer ein Tierfreund war, habe ich die Verbindung zwischen beidem nicht hergestellt", erzählt der Software-Entwickler.

Der Tierschutz-Aspekt ist für alle drei erst später dazugekommen. "Ich wusste früher nicht viel über die schlimmen Bedingungen, unter denen Tiere gehalten werden", sagt die aus Südkorea kommende Lee. Inzwischen versuchen sie, auch bei Kleidung und Pflegeprodukten darauf zu achten, dass sie vegan sind. Zu 100 Prozent streng sind sie aber nicht. "Wenn ich ausgehe und mir jemand ein Glas Wein anbietet, nehme ich es einfach, auch wenn er nicht vegan ist", sagt Lee. Auch in vielen Klebstoffen oder in Fotopapier seien oft tierische Inhaltsstoffe. Weber zieht mit einem entschuldigenden Lächeln seinen Ledergeldbeutel aus der Tasche. Und wenn Valcheva riesige Gelüste auf Butter bekommt, gibt sie ihnen nach. Bekehren wollen sie niemanden, sie erzählen aber gerne von ihrer Lebensweise, auch um Vorurteile abzubauen.

Inzwischen steht das Essen auf dem Tisch. Ein wahres Farbenspiel: die rote Bolognese, der Bulgur-Salat mit der kräftig grünen Petersilie , die weiße Carbonara mit dem geräucherten Tofu , die Schokoladen-Mousse und dazu ein Krug frisch gepresster Orangensaft. Einen kurzen Moment schauen die drei fast andächtig auf dieses Festmahl - dann hauen sie rein. Genießen tut eben jeder gleich, ob vegan oder nicht.

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