Hamburg/Heidelberg/Saarbrücken Weniger Deutsche sterben durch Passivrauchen

Hamburg/Heidelberg/Saarbrücken · Rauchen kann Krebs verursachen. Passivrauchen ebenso. Die bundesweiten strikten Verbote zeigen langsam Wirkung. Nicht so im Saarland.

 Das Saarland hat am 1. April 2011 ein absolutes Rauchverbot in der Gastronomie eingeführt und damit neben Bayern und Nordrhein-Westfalen eines der striktesten Nichtraucherschutzgesetze im bundesweiten Ländervergleich verabschiedet.

Das Saarland hat am 1. April 2011 ein absolutes Rauchverbot in der Gastronomie eingeführt und damit neben Bayern und Nordrhein-Westfalen eines der striktesten Nichtraucherschutzgesetze im bundesweiten Ländervergleich verabschiedet.

Foto: dpa/Jens Kalaene

(dpa/SZ) Dass Rauchen Krebs verursachen kann, weiß mittlerweile jedes Kind. Doch auch wer nicht selbst am Glimmstängel zieht, atmet in der Gesellschaft eines Rauchers etliche Schadstoffe ein. Viele Raucher in Deutschland sind sich dieser Gesundheitsrisiken offenbar bewusst. Denn immer weniger Menschen sterben hierzulande wegen Passivrauchens an Lungenkrebs, wie Wissenschaftler des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf (UKE) in einer Studie belegt haben. Sie ist im „International Journal of Public Health“ veröffentlicht.

Diesen Trend sieht auch das Deutsche Krebsforschungszentrum in Heidelberg. „In den letzten 20 Jahren ist die Passivrauchbelastung in Deutschland deutlich zurückgegangen“, sagt Krebspräventions-Expertin Ute Mons. Grund dafür seien neben der immer weiter sinkenden Zahl an Rauchern die Nichtraucherschutzgesetze von 2007/2008. Sie waren Basis für das Rauchverbot in öffentlichen Einrichtungen sowie in Restaurants.

Das Saarland hat am 1. April 2011 ein absolutes Rauchverbot in der Gastronomie eingeführt und damit neben Bayern und Nordrhein-Westfalen eines der striktesten Nichtraucherschutzgesetze im bundesweiten Ländervergleich verabschiedet. Einer der Initiatoren des Rauchverbots in saarländischen Kneipen war der Grünen-Politiker Hubert Ulrich, damals noch Fraktionschef: Obwohl im Saarland ein einheitliches Qualmverbot gilt, sieht er in einigen Punkten immer noch Verbesserungsbedarf: „Trotz des Verbots wird in vielen Kneipen immer noch geraucht. In einigen saarländischen Kommunen fehlt es an regelmäßigen Kontrollen. Gerade in Saarbrücken wird das an einigen Stellen schleifen gelassen“, sagte Ulrich der SZ. Zu den Kommunen, in denen das Verbot vorbildlich umgesetzt werde, gehörten seinen Angaben nach beispielsweise Saarlouis und Illingen. „Dort wird durchgegriffen“, so Ulrich. Sein großes Engagement für den Nichtraucherschutz rühre im Übrigen nicht daher, dass er etwas gegen Raucher habe, aber die Freiheit des Einzelnen ende nun einmal dort, wo die des anderen beginne. Er selbst habe nie geraucht, lediglich ein paar Mal gepafft.

Auch der Geschäftsführer des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbands (Dehoga) Saar, Frank Hohrath, fordert, dass sich alle gastronomischen Betriebe an das absolute Rauchverbot halten: „Wenn schon, dann bitte alle.“ Das Gesetz sei nun einmal wie es ist, „die Uhren werden da auch nicht mehr zurückgedreht“, so Hohrath. Das einzige, was ihn wirklich störe, sei, dass im Allgemeinen die Meinung kursiere, die Umstellung sei problemlos verlaufen. „Das Rauchverbot war der Sarg­nagel für viele kleine Kneipen“, merkt der Dehoga-Geschäftsführer an. Die Welt sei wegen des Verbots zwar nicht zusammengebrochen, dafür aber einige Existenzen.

Die Zahl der Saarländer, die in den vergangenen Jahren an Lungenkrebs gestorben sind, ist durch das Rauchverbot nicht zurückgegangen. Im Gegenteil. Nach Angaben des Gesundheitsministeriums starben im Jahr 2005 durch den Krebs insgesamt 701 Menschen, 2015 stieg die Zahl auf 820. Wie viele davon Passivraucher waren, ist nicht bekannt.

Doch aus Sicht der Krebspräventions-Expertin Mons waren die vor zehn Jahren teils hitzig diskutierten Verbote rückblickend ein voller Erfolg. „Wir haben einen gewissen Übersprungseffekt beobachtet: Auch zu Hause nehmen Raucher mittlerweile mehr Rücksicht auf Familienmitglieder“, sagt Mons. Diese seien deshalb seltener giftigem Rauch ausgeliefert.

Forscher des Hamburger UKE haben dazu jetzt Zahlen vorgelegt. Sie verglichen Daten von 2012 über Menschen, die an Lungenkrebs starben, mit einer Studie von 1994 mit den damals aktuellen Zahlen. „Nach unseren Schätzungen sind pro Jahr 167 Lungenkrebstodesfälle auf Passivrauchen zurückzuführen“, sagt Studienleiter Heiko Becher. „Diese Zahl ist im Vergleich zum Jahr 1994 deutlich gesunken, damals waren es 400.“ Im Jahr 2012 sind der Studie zufolge in Deutschland rund 47 000 Menschen an Lungenkrebs gestorben, darunter etwa 6000 Nichtraucher. Nach den Daten der Hamburger Wissenschaftler sind 7,6 Prozent der männlichen und 4,7 Prozent der weiblichen Lungenkrebs-Todesfälle bei den Nichtrauchern auf Passivrauch zurückzuführen. Insgesamt seien im Jahr 2012 ein Viertel der nichtrauchenden Frauen und etwa 40 Prozent der nichtrauchenden Männer Passivrauch ausgesetzt gewesen.

„Passivrauchen ist vor allem in Innenräumen ein großes Problem“, warnt Expertin Mons. Viel gefährlicher noch als Qualm aus den Mündern der Raucher sei der sogenannte Nebenstromrauch, der beim Glimmen einer Zigarette entstehe. „Er enthält aufgrund der im Vergleich zum Ziehen an einer Zigarette niedrigeren Verbrennungstemperatur deutlich mehr Schadstoffe.“ Je kleiner die Räume seien, desto schlimmer die Belastung. „Am höchsten ist sie natürlich beim Rauchen im geschlossenen Auto.“

Bis zu doppelt so hoch könne das Krebsrisiko eines Passivrauchers sein, wenn beispielsweise der Partner stark rauche, sagt Mons. Zum Vergleich: Das Risiko von Rauchern, an Lungenkrebs zu erkranken, ist etwa 20-mal so hoch wie bei Nichtrauchern.

Für deutlich weniger gesundheitsschädlich hält die Forscherin E-Zigaretten. „Denn die ganzen krebserregenden Stoffe einer normalen Zigarette entstehen beim Verbrennen“, sagt Mons. Im Dampf einer elektrischen Zigarette fänden sich „so gut wie keine“ dieser Gifte. Allerdings fehle es noch an entsprechenden Langzeitstudien. „Wir wissen noch nicht, was der Dampf langfristig mit der Lunge eines Rauchers macht.“ Ebenfalls noch Forschungsbedarf gibt es beim Thema Passivkonsum: „Man kann bislang nur vermuten, dass der Dampf für Nichtraucher weniger schädlich ist als Passivrauchen.“

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