Wenig Zeit für neue Impulse

Berlin. Waren da gestern ein paar Tränen in den Augen von Annette Schavan zu sehen? Es hatte zumindest den Anschein, nachdem Bundespräsident Joachim Gauck im Schloss Bellevue sehr lobend über sie gesprochen hatte. "Viele bedauern, dass die Bildungs- und Forschungspolitik des Bundes nicht mehr in Ihren Händen liegen", meinte Gauck

Bundespräsident Joachim Gauck verabschiedet Annette Schavan (Mitte), die Nachfolgerin Johanna Wanka Platz machte. Foto: Kumm/dpa

Bundespräsident Joachim Gauck verabschiedet Annette Schavan (Mitte), die Nachfolgerin Johanna Wanka Platz machte. Foto: Kumm/dpa

Berlin. Waren da gestern ein paar Tränen in den Augen von Annette Schavan zu sehen? Es hatte zumindest den Anschein, nachdem Bundespräsident Joachim Gauck im Schloss Bellevue sehr lobend über sie gesprochen hatte. "Viele bedauern, dass die Bildungs- und Forschungspolitik des Bundes nicht mehr in Ihren Händen liegen", meinte Gauck. Außerdem habe Schavan weit über die eigene Fraktion und Koalition hinaus "hohe Achtung" genossen. Da musste die wegen der Aberkennung ihres Doktortitels zurückgetretene Ministerin zumindest kräftig schlucken.

17 Jahre in Ministerämtern, davon zuletzt sieben Jahre in der Bundesregierung, bei einer solchen Bilanz fällt ein Abgang schwer. Für ihre Nachfolgerin Johanna Wanka begann gestern hingegen eine neue politische Ära - von der niedersächsischen Landesministerin ist sie nun zur Bundesministerin für Bildung und Forschung aufgestiegen. "Auch bei Ihnen kann man sagen, dass Sie Wissenschaft und Forschung leben", befand der Präsident. "Auf gute Zusammenarbeit", sagte Kanzlerin Angela Merkel, als sie Wanka nach ihrer Ernennung die Hand schüttelte. Der Händedruck für Schavan fiel allerdings deutlich länger aus.

Was nicht verwundert. Denn beide sind per Du, beide sind befreundet und enge politische Vertraute. Wer diese Rolle an Merkels Kabinettstisch nun übernehmen könnte, ist offen. Gewiss, Finanzminister Wolfgang Schäuble ist ein wichtiger Ratgeber, für Verteidigungsminister Thomas de Maizière gilt das genauso. Aber das Band zwischen Merkel und Schavan war besonders eng geknüpft. Die Kanzlerin schätzt aber auch Wanka sehr, zumal beide eine ähnliche Biografie aufweisen, wie Bundespräsident Gauck (auch mit Blick auf seinen eigenen Lebensweg) treffend anmerkte. Die neue Ministerin kommt wie Merkel aus Ostdeutschland, geboren ist sie in Sachsen. Außerdem ist die 61-Jährige eine promovierte Mathematikerin. Die Kanzlerin wiederum ist Physikerin. Im Denken und in der Herangehensweise an die Dinge dürften sich beide somit sehr ähneln.

Viel Zeit bleibt Wanka nicht, um neue bildungspolitische Akzente zu setzen. Ende September findet die Wahl statt, je nach Ausgang könnte sich ihre bundespolitische Karriere dann schon wieder erledigt haben. Bei ihrem ersten Pressestatement nach der Ernennung meinte Wanka, dass es in einer reichen Nation wie Deutschland möglich sein müsse, "dass jeder seinen Bildungsweg gehen kann - ungeachtet seiner sozialen Herkunft". Das ist allerdings einfacher gesagt als getan. Das deutsche Bildungssystem ist bekanntlich sozial immer noch viel zu undurchlässig. Als Landesministerin konnte Wanka noch gestalten, als Bundesministerin steht sie eindeutig im Schatten der Länder, da Bildung vor allem in deren Zuständigkeit liegt. Gut vernetzt mit den Ländern ist Wanka jedoch. Man darf daher gespannt sein, ob ihr noch neue Impulse gelingen werden.

Johanna Wanka gilt als konservativ, pragmatisch - und bisweilen auch als ein wenig eitel. Mit ihrer bisherigen Wissenschaftspolitik hat sie weder in Brandenburg noch in Niedersachsen größere Spuren hinterlassen. Und sie ist eine Verfechterin von Studiengebühren.

 Bundespräsident Joachim Gauck verabschiedet Annette Schavan (Mitte), die Nachfolgerin Johanna Wanka Platz machte. Foto: Kumm/dpa

Bundespräsident Joachim Gauck verabschiedet Annette Schavan (Mitte), die Nachfolgerin Johanna Wanka Platz machte. Foto: Kumm/dpa

Die im sächsischen Rosenfeld geborene Wanka studierte von 1970 bis 1974 in Leipzig Mathematik. Danach ging sie als Dozentin zur Technischen Hochschule Merseburg (Sachsen-Anhalt), deren Rektorin sie von 1994 bis 2000 war. Im Wendejahr 1989 war sie Gründungsmitglied des Neuen Forums in Merseburg. Wanka ist mit einem Mathematik-Professor verheiratet, hat zwei Kinder und lebt in Potsdam.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Schavan-RücktrittVier Tage nach Entzug des Doktortitels hat Annette Schavan die Konsequenzen gezogen. Ihren Rücktritt als Ministerin nahm die Kanzlerin sichtlich mitgenommen an. Schavans Nachfolgerin steht mit Johanna Wanka bereits fest. Das war ein saube
Schavan-RücktrittVier Tage nach Entzug des Doktortitels hat Annette Schavan die Konsequenzen gezogen. Ihren Rücktritt als Ministerin nahm die Kanzlerin sichtlich mitgenommen an. Schavans Nachfolgerin steht mit Johanna Wanka bereits fest. Das war ein saube
Aus dem Ressort