Welche Zukunft wollen wir?

Berlin · Gerd Müller trägt einen berühmten Namen – aber als Entwicklungsminister ist er kaum bekannt. Mit seiner „Zukunfts-Charta“ legt er jetzt ein mutiges Dokument vor, das die Regierung zu verantwortungsvollem Handeln bewegen soll. Doch Papier ist geduldig.

Für Entwicklungsminister Gerd Müller soll es der erste ganz große Wurf werden. In mehr als einem Dutzend Gesprächsrunden mit Bürgern, Hilfsorganisationen und Verbänden hat der CSU-Politiker Anregungen für seine "Zukunfts-Charta" gesammelt. Amnesty International war dabei, Oxfam, Unternehmerverbände und Brot für die Welt. Jetzt darf Müller das hochambitionierte Dokument der Bundeskanzlerin überreichen. Auch einige Kabinettskollegen hat er für die öffentliche Veranstaltung am heutigen Montag gewinnen können, bei der dieser Leitfaden für nachhaltige Politik vorgestellt wird. Arbeitsministerin Andrea Nahles (SPD ) ist dabei. Auch Kanzleramtsminister Peter Altmaier (CDU ) hat sein Kommen zugesagt. Das ist wichtig - für die Sache und auch für Müller. Denn er gehörte bislang eher zu den unauffälligen Mitgliedern des Kabinetts von Angela Merkel.

Müllers Charta für Nachhaltigkeit und Menschenrechte liest sich ein bisschen so wie die Zehn Gebote. Mit anderen Worten: Es sind Grundpfeiler moralischen Handels. "Ein Leben in Würde weltweit sichern", ist der erste der insgesamt acht Grundsätze, aus denen das Dokument besteht. Dazu gehört nach Ansicht der Verfasser das Recht auf Bildung genauso wie die Versorgung mit sauberem Trinkwasser und der Kampf gegen die Diskriminierung von Minderheiten und Frauen. Hans Joachim Schellnhuber , Direktor des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung, wird dabei mit dem schönen Satz zitiert: "Nicht Unmoral ist das Problem unserer heutigen Gesellschaft, sondern Bequemlichkeit." Doch welche konkreten Konsequenzen daraus für das Handeln der Bundesregierung erwachsen, bleibt offen.

Hier setzt auch die Kritik der Hilfsorganisationen an, die von Müller eingeladen worden waren, sich an den Vorbereitungen für die Formulierung der Grundsätze zu beteiligen. Die Charta sei etwas "wolkig" formuliert, heißt es bei Oxfam: "Das Dokument setzt die richtigen Schwerpunkte, aber es bleibt bei der Analyse stecken, es fehlt ein Aktionsplan."

Müller verspricht zwar, sein Ministerium werde jährlich Bilanz ziehen, was es zur Umsetzung der "Zukunfts-Charta" beigetragen hat. Doch viele der darin aufgelisteten Grundsätze fallen in die Zuständigkeit anderer Ressorts - vom Auswärtigen Amt bis zum Umweltministerium.

Da die Entwicklungspolitik ein Thema ist, das in deutschen Wahlkämpfen kaum eine Rolle spielt, ist es oft schwer, dafür ausreichend Rückhalt in Parteien oder im Kabinett zu finden. Dass die Kanzlerin die Charta jetzt trotzdem unterstützt, hängt sicher auch damit zusammen, dass die Entwicklungspolitik zu den von der Bundesregierung ausgewählten Schwerpunkt-Themen des G7-Gipfels im kommenden Juni gehört. Angesichts der aktuell festgefahren Positionen in vielen Fragen der Weltwirtschaft und der Sicherheitspolitik bieten Themen wie Sozialstandards in Entwicklungsländern und Meeresschutz eher eine Chance, zum Abschluss des Gipfels im bayerischen Schloss Elmau auch konkrete Erfolge präsentieren zu können.

Einen Zweck hat Müller jedoch jetzt schon erfüllt. Das Verhältnis zwischen seinem Ministerium und den Nichtregierungsorganisationen hat sich durch die relativ offene Diskussion über die Charta entspannt. Denn Müllers Vorgänger, der wirtschaftsnahe FDP-Politiker Dirk Niebel , war für sie immer ein rotes Tuch.

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