Down-Syndrom Gentests als Kassenleistung rücken näher

Berlin · Sollen Tests auf das Down-Syndrom bei Ungeborenen übernommen werden? Der Bundesausschuss ist dafür. Kritiker fürchten mehr Abtreibungen.

 Viele Eltern sind glücklich mit ihrem Kind mit Down-Syndrom. Nach einem Bluttest können Ärzte mittlerweile Schwangeren sagen, ob bei ihrem Embryo eine Trisomie 21 vorliegt. An dem Plan, dass Krankenkassen den Test künftig bezahlen sollen, gibt es allerdings Kritik. Etwa von der katholischen Kirche und von Behindertenverbänden.

Viele Eltern sind glücklich mit ihrem Kind mit Down-Syndrom. Nach einem Bluttest können Ärzte mittlerweile Schwangeren sagen, ob bei ihrem Embryo eine Trisomie 21 vorliegt. An dem Plan, dass Krankenkassen den Test künftig bezahlen sollen, gibt es allerdings Kritik. Etwa von der katholischen Kirche und von Behindertenverbänden.

Foto: Christophe Gateau/dpa/Christophe Gateau

Schwangere in Deutschland könnten künftig leichter mit einem vorgeburtlichen Bluttest feststellen lassen, ob ihr Kind das Down-Syndrom hat. Was auf den ersten Blick wie eine gute Nachricht klingt, wirft auf den zweiten Blick gravierende ethische Fragen auf. Kritiker befürchten mehr Abtreibungen durch das Vorhaben, das am Freitag in Berlin eine weitere Hürde genommen hat.

Darum geht es: Bei Risikoschwangerschaften könnten Ungeborene künftig auf Kosten der Krankenkassen per Bluttest auf eine Trisomie 21 untersucht werden. Der Gemeinsame Bundesausschuss von Ärzten, Krankenkassen und Kliniken, das höchste Entscheidungsgremium im Gesundheitswesen, leitete am Freitag ein offizielles Verfahren ein, bei dem unter anderem wissenschaftliche Fachgesellschaften, die Bundesärztekammer und der Deutsche Ethikrat Stellungnahmen dazu abgeben sollen.

Bislang müssen Schwangere den ab rund 130 Euro teuren Bluttest meist selbst zahlen. Voraussichtlich im Spätsommer will der Bundesausschuss entscheiden, ob die Leistung in den Katalog der gesetzlichen Krankenkassen aufgenommen werden soll. Ein Bündnis von Organisationen wendet sich gegen das Vorhaben. Sie fürchten mehr Abtreibungen.

Der Vorsitzende des Bundesausschusses, der frühere saarländische Gesundheitsminister Josef Hecken, verwies dagegen auf die Risiken anderer Untersuchungen wie der Biopsie der Plazenta oder von Fruchtwasseruntersuchungen sowie die „hohe Testgüte“ der Bluttests. Eine Anerkennung der Tests sehe der Ausschuss daher im Einzelfall als medizinisch begründet an. „Es geht nicht etwa um eine Reihenuntersuchung aller Schwangeren“, betonte Hecken. Als Risiko-Schwangere gelten unter anderem Frauen ab 35 Jahren. Derzeit entscheiden nach Expertenangaben etwa zehn Prozent der Frauen, die mit einem Kind mit Down-Syndrom schwanger sind, für das Baby. 90 Prozent der Kinder kommen nicht zur Welt.

Für die Tests wird den Schwangeren ab der 11. Woche Blut abgenommen. Anhand der darin enthaltenen Chromosomenteile des Kindes oder der Plazenta kann unter anderem die Wahrscheinlichkeit berechnet werden, mit der das Kind mit Down-Syndrom auf die Welt kommen würde. Die Treffsicherheit liegt nach Angaben des Herstellers bei 99 Prozent. Die Falsch-Alarm-Rate sei sehr gering: Etwa eine von 1000 Frauen bekomme fälschlicherweise die Information, ihr Kind habe Trisomie 21.

Bei dem Vorhaben geht es um mehr als eine neue Kassenleistung: Der Test könnte zu einem neuen Vorsorgestandard bei den Früherkennungsuntersuchungen werden. Und Eltern dazu zwingen, sich mit der Frage auseinanderzusetzen, ob ein möglicherweise an Down-Syndrom leidendes Kind geboren oder abgetrieben werden soll.

Befürworter argumentieren, schon seit 1986 hätten Risikoschwangere einen Anspruch darauf, dass ihre Kasse eine Fruchtwasseruntersuchung bezahlt. Der Bluttest könne solche mit dem Risiko von Fehlgeburten behafteten körperlichen Eingriffe ersetzen. Gegner wie die katholische Kirche und Behindertenverbände befürchten einen Dammbruch beim Lebensschutz. Ein Embryo-Screening zeichnet sich ab, zumal schon bald nach weiteren Gendefekten gefahndet werden kann. Schwangerschaften könnten abgebrochen werden, bevor die Mutter überhaupt eine Beziehung zum Kind aufgebaut habe, so die Befürchtung. „Wir sind verdammt noch mal auch Menschen“, kämpft der mit Down-Syndrom lebende Berliner Schauspieler Sebastian Urbanski gegen ein Screening. Der Pränataltest sortiere „Menschen wie mich schon vor der Geburt aus“.

Der Bundestag will sich auf Antrag einer fraktionsübergreifenden Gruppe von Abgeordneten aus CDU, SPD, FDP, Linken und Grünen in der zweiten Aprilwoche in einer Orientierungsdebatte mit dem Thema vorgeburtliche Medizin befassen. Auch mit den Bluttests.

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