Weiter Rätselraten um das Schicksal von MH17

Donezk · Noch hat der Einsatz der internationalen Experten in der Ostukraine gar nicht richtig angefangen. Doch schon jetzt ist klar: Die Absturzursache zu ergründen, wird ein hartes Stück Arbeit.

Der Absturz des malaysischen Passagierflugzeuges über der Ostukraine mit 298 Menschen an Bord wirft noch immer viele Fragen auf. Die betroffenen Länder fordern eine rasche, umfassende und vor allem unabhängige Untersuchung der Ursachen der Katastrophe. Doch die Arbeit der Ermittler ist schwierig.

Können sich die Fachleute, die schon in der Ostukraine sind, so frei bewegen, wie es nötig ist?

Nein. Sowohl die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE ) als auch die ukrainische Regierung haben sich darüber beschwert, dass die prorussischen Separatisten die Arbeit der Experten vor Ort zum Teil massiv behindert haben. Die Ermittler können sich nach diesen Angaben nicht völlig frei bewegen und stehen unter Aufsicht schwer bewaffneter Rebellen. Die Aufständischen wollen die Sicherheit internationaler Ermittler am Absturzort nur garantieren, wenn die Führung in Kiew einer Waffenruhe zustimmt.

Wie ist die Situation im Absturzgebiet?

Das Gebiet östlich von Donezk, in dem die Trümmer der abgestürzten Maschine liegen, ist riesig. Die Wrackteile sind nach Angaben des ukrainischen Rettungsdienstes über eine Fläche von etwa 35 Quadratkilometern verstreut. Das entspricht in etwa der Größe der Nordseeinsel Borkum. Zudem herrschen in dem Gebiet derzeit hochsommerliche Temperaturen von um die 30 Grad - die Leichen der Opfer müssen also schnellstmöglich gekühlt werden.

Können die Experten sicher sein, dass vor Ort nichts verändert wird, um Manipulationen möglicher Spuren zu verhindern, die die These von einem Raketenabschuss als Absturzursache belegen könnten?

Nein. Der OSZE-Forderung, nichts an der Absturzstelle zu verändern, wurde nach Angaben einer Sprecherin zumindest nicht gänzlich nachgekommen. So seien Gepäckstücke von Flugzeuginsassen fein säuberlich aufgereiht worden. Der OSZE-Sprecher Michael Bociurkiw sagte am Samstagabend in Donezk: "Das Problem ist, dass es keine Absperrung des Ortes gibt, wie sonst üblich. Jeder kann da rein und womöglich mit Beweisstücken herumhantieren." Zudem schließt die Absturzstelle Dörfer ein, in denen Menschen ein und aus gehen. Dort alles unverändert zu lassen, gilt schon faktisch als fast unmöglich.

Und was ist mit den Opfern?

Noch sind längst nicht alle 298 bei dem Absturz getöteten Insassen von Flug MH17 entdeckt worden. Den Rettungskräften zufolge wurden bis zum Sonntagmorgen 196 Opfer geborgen. Nach Angaben der Separatisten wurden die sterblichen Überreste von mindestens 167 Opfern zunächst in die ostukrainische Stadt Tores gebracht. Drei Kühlwaggons stünden mit zwei normalen weiteren Waggons auf dem örtlichen Bahnhof, sagte Michael Bociurkiw von der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE ) am Sonntagnachmittag. Die Waggons sollen bis zum Eintreffen internationaler Experten in Tores bleiben. Die Aufständischen argumentieren, die sterblichen Überreste hätten seit Donnerstag in großer Wärme gelegen und "aus hygienischen Gründen" abtransportiert werden müssen. Dagegen wirft die Führung in Kiew den Militanten die Vernichtung von Beweisen vor.

Und was ist mit den Familien der Opfer?

Das ukrainische Innenministerium hat in der etwa 300 Kilometer von der Absturzstelle entfernten Stadt Charkow für Angehörige und Hinterbliebene der Opfer Hunderte Hotelzimmer reserviert. In der Großstadt stünden auch Übersetzer und Psychologen bereit.

Wer koordiniert die internationale Untersuchung?

Das ist noch immer nicht definitiv geklärt. Völkerrechtlich ist dafür nach Angaben aus Kiew die Ukraine zuständig, die unter anderem die Internationale Zivilluftfahrtorganisation (ICAO) eingeladen hat, sich zu beteiligen. Viele Länder, die Opfer zu beklagen haben, haben bereits eigene Experten in die Ukraine geschickt. Dort ist die Lage aber nach Angaben des Bundeskriminalamtes recht unübersichtlich. Sowohl der Einsatzort als auch die Führung der Mission müssten noch geklärt werden, sagte ein Sprecher am Samstag. Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU ) schlug in einem Brief an die ICAO die Bildung einer aus mehreren Nationen besetzten Untersuchungskommission vor. Der Direktor der Bundesstelle für Flugunfalluntersuchung (BFU), Ulf Kramer, und ein weiterer Mitarbeiter der BFU seien gestern Mittag Richtung Unglücksstelle aufgebrochen, teilte ein Sprecher des Ministeriums in Berlin mit.

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