"Waterkantgate" erschütterte Deutschland

Wer einem Christdemokraten im Norden Böses will, muss nur einen Vergleich zu Barschel ziehen - das ist das schärfste Schwert, das ein Politiker hier ziehen kann. Der Name des Ex-Regierungschefs Uwe Barschel steht für einen der größten Skandale in Deutschlands Nachkriegszeit. Vor 25 Jahren kam er ins Rollen. Unerhörtes war 1987 geschehen. Am 7

Wer einem Christdemokraten im Norden Böses will, muss nur einen Vergleich zu Barschel ziehen - das ist das schärfste Schwert, das ein Politiker hier ziehen kann. Der Name des Ex-Regierungschefs Uwe Barschel steht für einen der größten Skandale in Deutschlands Nachkriegszeit. Vor 25 Jahren kam er ins Rollen.

Unerhörtes war 1987 geschehen. Am 7. September, sechs Tage vor einer nach 37 Jahren CDU-Macht voller Spannung erwarteten Wahl, löste der "Spiegel" eine Lawine aus, Titel: "Waterkantgate: Spitzel gegen den Spitzenmann". Die Spitzel waren Detektive, die der Referent Reiner Pfeiffer aus Barschels Staatskanzlei geordert hatte. Der von ihnen zu beobachtende Spitzenmann war Björn Engholm. Er sollte für die SPD Ministerpräsident werden. Pfeiffer lancierte auch eine anonyme Steueranzeige gegen Engholm und quälte ihn als angeblicher Arzt am Telefon mit einem fingierten Aids-Verdacht. Auf Pfeiffers Angaben hin stand Barschel in der Öffentlichkeit als Mitwisser und Urheber der Aktionen da.

Barschel bestritt alles mit seinem "Ehrenwort". Er wurde aber der Lüge überführt, auch wenn ein 1993 etablierter Untersuchungsausschuss für seine Urheberschaft keine Beweise mehr sah. Dass Barschel aber Mitarbeiter zu Falschaussagen drängte, steht fest. Seine politische Verantwortung für Pfeiffers Treiben ist ohnehin unbestritten. Einen Monat nach der Wahl war Barschel tot. Ein Reporter fand am 11. Oktober den 43-Jährigen wenige Tage nach dessen Rücktritt im Genfer Hotel "Beau Rivage". Die bekleidete Leiche des CDU-Politikers lag in der Badewanne. Ob er sich das Leben nahm, ihm dabei jemand half oder ob er ermordet wurde, ist unklar. Jüngst entdeckte, aber kaum verwertbare fremde DNA-Spuren an Socken und Jacke werden das nicht ändern. In Mord-Spekulationen geht es meist um angebliche, nie bewiesene Verwicklungen Barschels in illegale Waffengeschäfte und diverse Geheimdienste - Motiv und Verdächtige wurden nie ermittelt.

Die Schweizer Ermittler, die nach dem Leichenfund zahllose Fehler begingen, erkannten auf Selbstmord - schlüssig für jene, die ein "Schuldeingeständnis" sahen oder die verzweifelte Reaktion auf eine hoffnungslose Lage. Der ehemalige Barschel-Chefermittler Heinrich Wille, geht fest von Mord aus. Die Ermittlungen musste Wille 1998 einstellen, weil Täter- und Motivsuche aussichtslos erschienen.

Sicher ist nur, dass Barschel an einem tödlichen Medikamentencocktail starb. "Insgesamt entsprachen die Medikamenteneinnahme und das Liegen in einer gefüllten Badewanne einer Anleitung zum Selbstmord, die von der Gesellschaft für humanes Sterben in Deutschland herausgegeben worden war", stellte 2007 der damalige Generalstaatsanwalt Erhard Rex in einem Untersuchungsbericht fest.

Das Ganze ist lange vorbei, aber nicht vergessen. Der heutige CDU-Landesvorsitzende Jost de Jager sieht das so: "Das ist schon ein Trauma, das nachhallt, aber keine Auswirkungen mehr hat." Für die praktische Politik gilt das gewiss. "Aber im kollektiven Bewusstsein der Partei ist das noch vorhanden", sagt auch de Jager.

Und die SPD? Sie erschien 1987 als völlig ahnungsloses Opfer und stellte sich auch so dar. Sechs Jahre später kam heraus, dass auch Engholm schon vor der Landtagswahl vom Treiben Pfeiffers wusste. Es kam auch heraus, dass der frühere SPD-Landeschef Günther Jansen dem Affären-Strippenzieher 1988 und 1989 umgerechnet jeweils mindestens 10 000 Euro zugesteckt hatte - nach seiner Darstellung aus Mitleid. Weil Jansen das Geld in einer Schublade angesammelt haben will, machte das Ganze als "Schubladen-Affäre" Geschichte. Jansen musste zurücktreten, dann Engholm, für den Heide Simonis das Ruder übernahm. Die SPD stürzte in eine tiefe Glaubwürdigkeitskrise; die Bundespartei verlor mit Engholm den Parteichef und Kanzlerkandidaten.

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