Wasserdampf schafft jeden Kaugummi

Saarbrücken. Wer mit offenen Augen durch die Fußgängerzone geht, kann sie gar nicht übersehen. Der ganze Boden ist damit übersät. Dunkle Flecken, wohin das Auge reicht, teilweise bis zu sieben Zentimeter im Durchmesser. Kaugummis, achtlos ausgespuckt, verunzieren das Erscheinungsbild der Saarbrücker Bahnhofstraße

Saarbrücken. Wer mit offenen Augen durch die Fußgängerzone geht, kann sie gar nicht übersehen. Der ganze Boden ist damit übersät. Dunkle Flecken, wohin das Auge reicht, teilweise bis zu sieben Zentimeter im Durchmesser. Kaugummis, achtlos ausgespuckt, verunzieren das Erscheinungsbild der Saarbrücker Bahnhofstraße. Doch der Zentrale Kommunale Entsorgungsbetrieb (ZKE) hat den klebrigen Biestern den Kampf angesagt. Als erste Stadt im Saarland hat Saarbrücken eine Reinigungsmaschine angeschafft, die speziell auch für Kaugummis ausgelegt ist: den Walser Top-Cleaner.

"Die Situation in der Bahnhofstraße hat sich immer weiter verschlimmert", erklärt Judith Pirrot vom ZKE. Verschiedene Möglichkeiten wurden ausprobiert, unter anderem auch eine Maschine, die die Kaugummis schockgefrostet hat, "aber da waren dann überall helle Flecken auf dem Stein, da, wo vorher die Kaugummis waren".

Die gibt es mit dem Walser Top-Cleaner nicht mehr. 160 Grad heißer Wasserdampf - mit Chemikalien angereichert - steigt empor, sobald der Schalter gedrückt wird. Der Dampf löst die Kaugummis regelrecht in seine Bestandteile auf. Die rotierenden Bürsten entfernen dann nicht nur die Rückstände, sondern reinigen auch noch die Steine - porentief. Das Ergebnis ist deutlich sichtbar: Schwarzes Schmutz-Wasser rinnt zu beiden Seiten unten aus der Maschine. Hinter sich lässt das Gerät hellrote, saubere Steine. Eine deutliche Linie zeigt an, wo die Maschine schon war und wo noch Arbeit wartet.

Alexander Klut und Andrej Teichrib sind ein eingespieltes Team. Der 27-jährige Klut hat Gebäudereiniger gelernt, seit einem Jahr arbeitet er beim ZKE. Er schiebt die Maschine ganz langsam über den Boden, um dem Dampf viel Zeit zum Einwirken zu geben. Sein Kollege, der 43-jährige Andrej Teichrib, läuft nebenher und saugt das dreckige Wasser mit einem Gerät auf, das wie ein riesiger Staubsauger aussieht. Am Ende landet alles im Schmutzwasser-Kanal. Teichrib und Klut wurden mit zwei anderen Kollegen für die Arbeit an der Kaugummi-Maschine angelernt. Sobald das Thermometer draußen über sechs Gard klettert, sind sie im Einsatz. Ist es kälter, funktioniert die Dampfmethode nicht mehr richtig. Dann kommen die Männer in den Kehr-, Streu- oder Räumungsdienst. "Es ist immer genug Arbeit da", sagt Rainer Rösner, der beim ZKE für die Personaleinteilung und den Maschineneinsatz der Stadtreinigung zuständig ist.

Vor einem Geschäft stehen draußen die Auslagen. Das bedeutet Endstation für den Walser Top-Cleaner. Um solche Hindernisse und auch die Stühle vor den Gaststätten zu vermeiden, beginnen die Männer schon um sieben Uhr morgens mit der Arbeit. "Zuerst sind immer die Eingänge zu den Geschäften dran", erklärt Rainer Rösner. "Wenn dann die Geschäfte öffnen, gehen wir weiter in die Mitte."

Ein Ladenbesitzer kommt vorbei und fragt neugierig nach der Saubermach-Aktion, die da stattfindet. Er ist begeistert und bietet an, seine Dekorationstöpfe und Teppiche vor dem Laden wegzuräumen und Platz für die Maschine zu machen. Mit dem großen Auto, auf dem die Stromversorgung und die Wasser- und Chemie-Kanister stehen, mit den großen Maschinen und den vielen Schläuchen verstellt das Reinigungsteam vielen den Weg. Einige trauen sich, einfach an dem dampfenden Gerät vorbei zu gehen, andere machen einen Umweg über die andere Seite.

Während Alexander Klut und Andrej Teichrib sich weder von Sonne, Wind oder Regen noch von den neugierig schauenden Menschen beirren lassen und schweigend ihrer Arbeit nachkommen, kommt Joachim Ackermann vorbei. Er arbeitet beim Ordnungsamt und läuft die Bahnhofstraße auf und ab in der Hoffnung, Umweltsünder auf frischer Tat zu ertappen.

15 Euro sind für weggeworfene Kaugummis, Zigarettenkippen und anderen Müll fällig. Etwa fünf bis zehn Leute kann er täglich so zur Kasse bitten, jedoch bei Kaugummis ist es schwierig: "Die kann man fast gar nicht erwischen", so Ackermann. Aber er geht weiter auf Streife: "Über die Mittagszeit sind die Chancen am größten."

Ein besonders dicker Kaugummi hat sich zwar gelöst, aber ein Fleck bleibt auf dem hellroten Stein. "Wahrscheinlich ein Hubba Bubba", mutmaßt Rainer Rösner und ruft: "Mach noch langsamer, Alex!"

Immer weiter und weiter schiebt sich die Maschine, Zentimeter um Zentimeter. Bis zu 50 Quadratmeter können pro Stunde gereinigt werden. Die Bahnhofstraße und Reichsstraße haben zusammen 40 000 Quadratmeter, da kommen etliche Stunden zusammen. Eine manchmal quälend langsame Arbeit. "Aber sie muss gemacht werden", sagt Alexander Klut. Bis die zwei Männer entscheiden: Mittagspause. Sie klettern in das Führerhäuschen des orangefarbenen Wagens. Dort können sie ihre mitgebrachten Brote auspacken. Dazu gibt's Pfefferminztee. Das Führerhäuschen blickt direkt auf die Straßenseite vor Karstadt, die in der vergangenen Woche dran war. Kein Fleck weit und breit. Doch, und das wissen die beiden, es ist nur eine Frage der Zeit, bis wieder Kaugummis auf dem Boden landen und der Job von vorn beginnt.

"Kaugummi-Sünder kann man kaum erwischen."

Joachim Ackermann,

Ordnungsamt Saarbrücken

Auf einen Blick

Das Ausspucken von Kaugummis kann teuer werden. Im asiatischen Singapur kostet das Vergehen 1000 Singapur-Dollar (rund 500 Euro). 500 US-Dollar sind in New York fällig. Auch im Saarland wird gegen Kaugummi-Sünder vorgegangen. In Saarbrücken warten 15 Euro Strafe, viele Plakate machen auf die Aktion "Sauber ist schöner" aufmerksam.

In Homburg sind laut Bußgeldkatalog 35 Euro zu zahlen, in der Praxis wird das jedoch kaum umgesetzt, wie Stadtpressesprecher Jürgen Kruthoff mitteilt: "Das ist nicht so leicht nachzuweisen wie bei Falschparkern."

In Saarlouis kostet das Ausspucken 25 Euro, aber erwischt wurde noch niemand. Hier wurden schon verschiedenen Maschinen getestet, aber bisher werden die Kaugummis noch per Hand entfernt, wie Manfred Biehler vom Neuen Betriebshof mitteilt, "immer punktuell, da, wo es am schlimmsten ist". Auch in Neunkirchen wurde noch kein Sünder ertappt, die Strafe beträgt bis zu 20 Euro. Eine spezielle Reinigung ist dort aus Kostengründen nicht vorgesehen. nele

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