Was wusste Annegret Kramp-Karrenbauer?

Saarbrücken. Die große Vernehmungs-Show der Polit-Aufklärer im Untersuchungsausschuss "Vierter Pavillon" des Saar-Landtages lief gestern bis zum späten Auftritt von Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer eher mit Nebendarstellern. Deren langatmige Aussagen brachten den Zeitplan des Ausschusses und damit auch den Terminkalender der Wahlkampf-Matadore kräftig ins Wanken

Saarbrücken. Die große Vernehmungs-Show der Polit-Aufklärer im Untersuchungsausschuss "Vierter Pavillon" des Saar-Landtages lief gestern bis zum späten Auftritt von Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer eher mit Nebendarstellern. Deren langatmige Aussagen brachten den Zeitplan des Ausschusses und damit auch den Terminkalender der Wahlkampf-Matadore kräftig ins Wanken.Die wieder vereinte Opposition aus SPD, Linken, FDP und Grünen hat zwölf Tage vor der Landtagswahl die Regierungschefin im Visier: Was wusste die frühere Kulturministerin und Kuratorin der Stiftung Saarländischer Kulturbesitz im Vorfeld der Landtagswahl im August 2009? Hatte sie der Öffentlichkeit mit der Präsentation von Teilkosten bei einer Pressekonferenz zum offiziellen Spatenstich im Juli 2009 keinen reinen Wein eingeschenkt? Aktuell wird das Projekt, dessen Kosten aus dem Ruder gelaufen sind, auf knapp 30 Millionen Euro geschätzt. Kramp-Karrenbauer sprach damals von 11,7 Millionen Euro "faktischen reinen Baukosten" und 2,8 Millionen Baunebenkosten, insgesamt also 14,5 Millionen Euro. Diese Presseinformation war, so bestätigte Ex-Stiftungschef Ralph Melcher, der eigene "Ungeschicklichkeiten" einräumte, mit ihm abgestimmt. Die Zahlen seien "nicht falsch" gewesen. In den Aktenbergen (insgesamt 137 Ordner), die zum Teil im Sitzungssaal auf einem Rollwagen lagern, wurde die SPD fündig. Obmann Reinhold Jost kramte mehrere Entwürfe der damaligen Pressemitteilung aus, in denen ursprünglich 20,1 Millionen Euro aufgelistet waren. In der Endversion fehlte diese Zahl. Kramp-Karrenbauer bestätigte dann später, dass sie persönlich letzte Hand an diese mit Melcher und Sponsor Edwin Kohl vereinbarte Presseinformation gelegt hat. Ihre Begründung: In der Ursprungsfassung sei keine Vergleichbarkeit mit den bis dahin von der Stiftung genannten Zahlen gegeben gewesen. Deshalb habe sie weitere Kostenfaktoren nur aufgeführt, aber nicht beziffert. Die Regierungschefin: "Wenn ich gewusst hätte, dass daraus eine Diffamierung wird, würde ich das heute so nicht mehr machen." Kramp-Karrenbauer bezog über 40 Minuten kämpferisch Stellung. Ihre anschließende Vernehmung dauerte 80 Minuten.

Die Beweisaufnahme konzentrierte sich in erster Linie auf einen handschriftlichen Vermerk von Stiftungsverwaltungsleiter Jürgen Lang und eine E-Mail von Melcher. Unsere Zeitung hatte darüber erstmals im November 2011 berichtet. Lang bestätigte diesen Bericht. Er hatte im März 2009 eine Kostenaufstellung für den Neubau über 18,7 Millionen Euro an das Finanzministerium geschickt. In seinem Vermerk dazu notierte er handschriftlich: "Auf Wunsch" seien unter anderem die Kosten des Architektenwettbewerbes und die "Bauherrenkosten", dazu zählten auch die Honorare für den Projektsteuerer Gerd Marx, "nicht berücksichtigt" worden. Auf wessen Wunsch dies geschehen sei, brachte der Verwaltungsleiter, der die Stiftung mit dem Bau überfordert sah, nicht zu Papier.

Gestern sagte er, Ex-Kulturminister Jürgen Schreier (CDU) habe ihn dazu aufgefordert. Langs damaliger Chef Melcher hatte in einer E-Mail auch festgehalten, Lang habe auf Wunsch von Schreier und Kramp-Karrenbauer gehandelt. Der Verwaltungsleiter offenbarte allerdings, er habe nie mit ihr geredet. Als Melcher selbst im Zeugenstuhl mit der Botschaft überraschte, er habe am 4. März 2009 Kramp-Karrenbauer bei einem Termin mit Marx über Gesamtkosten von 25,1 Millionen Euro informiert, war der Zahlenwirrwarr komplett. Bei der CDU um Obmann Roland Theis glühten die Handys. Wenig später verlas Theis "persönliche Erklärungen" von Musikschul-Rektor Thomas Duis, Kanzler Wolfgang Bogler und Finanzstaatssekretär Gerhard Wack. Sie waren bei dem Termin dabei, versicherten, es sei überhaupt nicht über Gesamtkosten des Vierten Pavillons gesprochen worden. Kramp-Karrenbauer bestätigte dies. Es sei auch zu keinem weiteren Gespräch im Anschluss, das es aus Melchers Sicht gegeben hat, gekommen. Sie sei unmittelbar danach zur Kultusministerkonferenz nach Stralsund abgereist. Sie stellte zudem fest, sie habe weder Anweisungen "zum Herausrechnen von Kosten" gekannt noch gegeben.

Einen routinierten Auftritt lieferte der U-Ausschuss-erfahrene Ex-Kulturminister Karl Rauber (CDU) ab. Neues gab er nicht zu Protokoll. Er sei erst Ende 2010 über die Kostensteigerung informiert worden, habe "getobt", als Melcher und Marx ihm verkündeten, die Kosten des Projektsteuerers seien in den Aufstellungen nicht enthalten, weil dies so gewünscht gewesen sei. Rauber: "Aus heutiger Sicht war das Vertrauen, das ich Melcher lange entgegengebracht habe, nicht gerechtfertigt. Ich fühle mich von Melcher teilweise getäuscht." Der habe ihm laut einem Vermerk noch Ende März 2011 berichtet, ein Kostenrahmen von 22 Millionen sei realistisch.

Von "groben Fehleinschätzungen der Kosten" durch den Projektsteuerer Marx und Falschinformationen Melchers an das Kuratorium berichtete Kulturminister Stephan Toscani (CDU) als Zwischenfazit seiner Aufklärung der Vorgänge bei der Stiftung. Er nannte zudem "strukturelle Defizite" in der Stiftung und beim Baumanagement als Ursachen dafür, dass die Kosten aus dem Ruder gelaufen sind. Marx habe die Kosten "schöngerechnet". Toscani sprach weiter von "Selbstüberschätzung, Selbstbedienungsmentalität bis hin zu Straftaten durch die handelnden Personen". "Ich fühle mich

nicht richtig informiert und

von Herrn Melcher getäuscht."

Ex-Kulturminister Karl Rauber

"Die Kosten wurden vom Büro des Projektsteuerers

schöngerechnet."

Kulturminister Stephan Toscani

"Ich habe immer gesagt, wir sind als Stiftungsverwaltung nicht in der Lage,

das Bauvorhaben

zu stemmen."

Verwaltungsleiter Jürgen Lang

"Es gab meinerseits Ungeschicklichkeiten, aber keine Falschdarstellungen."

Ex-Stiftungsvorstand

Ralph Melcher

"Kurator Schreier hat mir mitgeteilt, dass Wettbewerbs- und Projektsteuererkosten nicht zu berücksichtigen sind."

Verwaltungsleiter

Jürgen Lang

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