Fazit zum Reformationsjahr Was übrig bleibt vom Luther-Jahr

Wittenberg · Mit einem Feiertag endet am Dienstag das Feierjahr der evangelischen Kirche zum 500. Jahrestag der Reformation. Zum Finale ein Fazit.

 Am 31. Oktober 1517 schrieb der Reformator Martin Luther – hier sein Denkmal in Eisenach – Geschichte. Daran erinnerte das Gedenkjahr 2017.

Am 31. Oktober 1517 schrieb der Reformator Martin Luther – hier sein Denkmal in Eisenach – Geschichte. Daran erinnerte das Gedenkjahr 2017.

Foto: dpa/Michael Reichel

(SZ/epd/kna) In einem verschlafenen Universitätsstädtchen im Königreich Sachsen geschieht am 31. Oktober 1517 Unerhörtes. Dr. Martinus Luther, ein kompakter Professor aus Wittenberg, bringt 95 Thesen zur Kirchenkritik in Umlauf, die es in sich haben. Der Rest ist Geschichte; die Geschichte der Reformation, die in den vergangenen 365 Tagen oft und vielerorts erzählt wurde. Am Dienstag geht das Jubiläum 500 Jahre Reformation in Deutschland zu Ende – und die Bilanz des Jubiläumsjahres fällt durchaus differenziert aus. Was bleibt ab 1. November von Luther – außer verblassenden Bildern, Fernsehfilmen, Jubiläumsprodukten aller Art und blauen Luther-Büsten vor einigen Kirchen der Republik?

Ja, das nach achtjährigem Vorlauf am 31. Oktober 2016 begonnene Gedenkjahr „500 Jahre Reformation“ hat die Gestalt Martin Luthers und die von ihm ausgelösten Ereignisse neu ins Gespräch gebracht. Medienberichte, Bücher, Filme, Musik- und Bühnenveranstaltungen widmeten sich einer Vielzahl von Einzelaspekten. Allein drei „nationale Sonderausstellungen“ in Berlin, Wittenberg und auf der Wartburg sowie fast 70 weitere regionale Ausstellungen beleuchteten unterschiedliche Facetten – ein „Gedenk-Overkill“, wie der Berliner „Tagesspiegel“ befand. Welche „Botschaft“ damit letztlich vermittelt wurde, wird indes kontrovers diskutiert. Die Besucherzahlen waren respektabel, aber keineswegs rekordverdächtig – die Events stahlen sich zum Teil gegenseitig die Show.

Differenziert sieht es auch der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, Heinrich Bedford-Strohm. Er freute sich kürzlich in Berlin über ein friedliches und ökumenisches Jubiläum. Auf der Haben-Seite stehen für den Repräsentanten von rund 21,9 Millionen Protestanten in Deutschland unter anderem prall gefüllte Massenveranstaltungen wie auf der Tour des Pop-Oratoriums „Luther“, der schnelle Ausverkauf der ersten Auflage der revidierten Luther-Bibel, der Erfolg der Luther-Figur von Playmobil, der Kirchentag in Berlin mit Stargast Barack Obama und viele Kontakte zu Menschen, die bis zu diesem Jahr wenig bis keine Kontakte zur Kirche hatten. Nicht zufrieden ist auch die Spitze der Protestanten dagegen mit den Besuchszahlen der Weltausstellung in Wittenberg und den „Kirchentagen auf dem Weg“, die parallel zum zentralen Christentreffen in Berlin und Wittenberg im Mai stattfanden. Einiges habe nicht funktioniert, heißt es bei Luthers Erben. Bei einem Kirchenparlament Mitte November in Bonn werde gründlich Bilanz gezogen, kündigte Bedford-Strohm an. Denn nach der versuchten Öffnung in die Gesellschaft mit dem Festjahr geht es bei der Synode um die Zukunft der eigenen Institution und damit auch um Konsequenzen aus dem Festjahr.

Die Erkenntnis, dass sich die Kirchen nicht mehr nur hinter die Mauern ihrer historischen Gebäude zurückziehen können, ist nicht neu. Welche Konsequenzen in Zeiten des Mitgliederschwunds speziell aus dem Jubiläumsjahr gezogen werden können, wollen die Verantwortlichen nun beraten. Erfolgreich sei man außerdem vor allem dort gewesen, wo die Kirche andere Institutionen aus Kultur und Gesellschaft eingebunden hat, sagte Bedford-Strohm.

In ökumenischer Perspektive war das Jubiläumsjahr ein Erfolg – angefangen mit dem Besuch von Papst Franziskus beim Lutherischen Weltbund im schwedischen Lund zum Beginn der Feiern. So viel Eintracht war auch 500 Jahre nach der Spaltung nicht abzusehen. Feindseligkeiten und Vorwürfe aus vergangenen Jahrhunderten wurden offiziell für überwunden erklärt. Obwohl der Durchschnitts-Christ die Unterschiede zwischen beiden Konfessionen häufig kaum noch benennen kann, war es im Anlauf zum Reformationsjubiläum lange Zeit nicht ausgemacht, dass es so etwas wie ein gemeinsames Gedenken gibt. Da gebe es für die Katholiken nichts zu feiern, tönte es von der einen Seite, es seien keine Luther-Festspiele geplant, beschwichtigte die andere. Was beiden dann gelang, war ein Gedenkjahr mit weit mehr als schönen Gesten. Der „Grundwasserspiegel der Freundschaft“ sei eindeutig gestiegen, lobte der Vorsitzende der katholischen Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx. Gemeinsam mit Bedford-Strohm betont Marx, welche Annäherung es in diesem Jahr gegeben hat, nicht nur durch den Versöhnungsgottesdienst im März. Beide Kirchenlenker sprechen unisono von einem „Schub“ für das Miteinander von Protestanten und Katholiken.

 Ein Erfolgsprodukt des Reformationsjahres: Die Luther-Spielfigur von Playmobil.

Ein Erfolgsprodukt des Reformationsjahres: Die Luther-Spielfigur von Playmobil.

Foto: dpa/Daniel Karmann

Konkrete Schritte etwa hin zu einem gemeinsamen Abendmahl gab es aber nicht. Hoffnung darauf hatte es durchaus gegeben. Damit bleibt die Ökumene auch nach 2017 ein Thema für die beiden Kirchen, die einst durch Luthers Reformation gespalten wurden. Apropos Luthers Reformation: Auch das wurde im Rahmen des Feierjahres wieder betont. Die Reformation bestand nicht nur aus dem Wittenberger Professor. Er hatte Wegbereiter, Mitstreiter und Kollegen, die es anders sahen, wie die Schweizer Ulrich Zwingli und Johannes Calvin. Auch sie geben noch Gelegenheit für große Gedenktage.

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