Was nun, Franziskus?

In dieser Woche sind die Bischöfe Österreichs zu ihrem Ad-limina-Besuch im Vatikan. „Limina“, damit sind die Türschwellen zu den Gräbern der Apostel Petrus und Paulus gemeint.

Doch die Purpur-Träger pilgern nicht nur in den Petersdom und nach Sankt Paul vor den Mauern. Sie durchschreiten viele andere Türen zu Gesprächen, auch die von Kongregationen und päpstlichen Räten. Denn am Donnerstag übergeben die Bischöfe im Sekretariat der Synode die Ergebnisse der Umfrage, in der Papst Franziskus erstmals überhaupt die Gläubigen in aller Welt zu Themen wie Sexualität und Ehe befragen ließ.

Seit ein paar Wochen trudeln die Antworten aus den Diözesen in aller Welt in Rom ein, an diesem Freitag ist Einsendeschluss. Was die Themen Sexualität oder Kommunion für Wiederverheiratete angeht, haben sie fast nichts mit der kirchlichen Lehre gemeinsam. Vor allem aus den Antworten westeuropäischer Katholiken wird das klar. In Rom lösen die Ansichten der Gläubigen Verwunderung aus. "Schlimmer als erwartet" seien die Antworten der Basis ausgefallen, heißt es im Vatikan. In einer Sondersynode im Herbst 2014 und dann ein Jahr später bei ihrem ordentlichen Treffen beraten die knapp 5000 katholischen Bischöfe in Rom zum Thema Familienseelsorge. Die Frage ist, ob sie die so offensichtlich gewordene Kluft zwischen Lehre und Praxis im Katholizismus weiter ignorieren können.

Ein "fatales Signal" nannte der Mainzer Bischof, Kardinal Karl Lehmann, die Ergebnisse des Fragebogens. Die Lehre der Kirche werde als "dunkel und lebensfeindlich" wahrgenommen, sagte der Wiener Erzbischof, Kardinal Christoph Schönborn und kündigte an, die Ergebnisse "eins zu eins" nach Rom zu übermitteln. Die Signale, die Katholiken in Deutschland und Österreich nach Rom gesendet haben, sind eindeutig: Die Lehre im Hinblick auf Homosexualität, wiederverheiratete Geschiedene oder Empfängnisverhütung wird von einer großen Mehrheit als ausgrenzend empfunden und nicht befolgt. Das ist keine Überraschung. Doch nicht nur das erwartbare Ergebnis, auch die Befragung der Basis an sich, birgt Konfliktpotenzial.

Allein in Deutschland beantworteten über 100 000 Katholiken den Fragebogen, in Österreich waren es weitere 30 000. Die meisten von ihnen erwarten, mit dem neuen, so undogmatisch wirkenden Papst, würden nun auch basisdemokratische Elemente in das Kirchenleben Eingang finden. Vom liberalen Forum "Wir sind Kirche" wurde gar die Hoffnung geäußert, die Gläubigen könnten künftig auch bei Bischofsernennungen, zum Thema Zölibat oder beim Thema Finanzen befragt werden.

Aus der Vatikanstadt mit den hohen Mauern dringen bislang ganz andere Signale. Den Akzent, den Franziskus auf den Aspekt der Seelsorge lege, lasse keine Schlüsse über seine dogmatischen Ansichten zu, heißt es aus der Synode. In der Lehre habe Franziskus noch nichts erneuert. Der Fragebogen sei weder eine Meinungsumfrage noch ein Referendum. Es handelte sich nur um eine "Bestandsaufnahme" als Arbeitsgrundlage für die Bischöfe. So stellt sich offenbar auch Franziskus den Umgang mit den Ansichten der Basis vor. Als ein Kardinal ihn bei der Vorbereitung des Fragebogens davor warnte, bei den Gläubigen Erwartungen zu schüren, reagierte der Papst nicht. In den Sitzungen, so wird berichtet, hört er zu und macht Notizen.

"Die traditionelle Lehre wird fortbestehen", kündigte der honduranische Kardinal Oscar Rodriguez Maradiaga an. Er ist einer der engsten Berater des Papstes. Maradiaga sagte aber auch, es müssten "zeitgemäße Antworten" gefunden werden. Auch der Leiter des Sekretariats der Synode, Erzbischof Lorenzo Baldisseri, der seit Franziskus in Rom viel Einfluss gewonnen hat, sieht die Bischöfe offenbar nicht unter Zugzwang. Es wäre eine "Katastrophe", wenn die Antworten der Gläubigen "leeres Papier" blieben, behauptete hingegen der neue Salzburger Erzbischof, Franz Lackner. Die Bischofssynode im Herbst verspricht hitzige Diskussionen. Womöglich hat es Papst Franziskus genau darauf angelegt.

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