AfD im Bundestag Was machte die AfD so stark?

Die wichtigsten Gründe für den Ausgang der Bundestagswahl.

 Die großen Sieger: Alice Weidel und Alexander Gauland, Spitzenkandidaten der AfD.

Die großen Sieger: Alice Weidel und Alexander Gauland, Spitzenkandidaten der AfD.

Foto: dpa/Julian Stratenschulte

Von der Flüchtlings- zur Furchtkrise: Das satt zweistellige Ergebnis für eine Rechtsaußen-Partei ist eine Zäsur in der bundesdeutschen Geschichte. Erstmals seit fast 60 Jahren sitzen nun Politiker mit offen rassistischen oder völkischen Weltbildern im Bundestag. Ermöglicht wurde das durch die Furcht vor überwiegend muslimischen Flüchtlingen und das ungelöste Integrationsproblem, vermischt mit der Sorge vor islamistischem Terror und Abstiegsängsten. Dieses Wahlkampfthema wischte sowohl konservative Behaglichkeits- und Sicherheitsversprechen vom Tisch als auch sozialdemokratische Gerechtigkeitsappelle, es spielte der AfD in die Karten. Ergebnis: ein Rechtsruck wie noch nie zuvor, die Volksparteien äußerst schwach.

Bronze glänzt besonders hell: Wer gewinnt den Kampf um Platz drei – und macht sich damit entweder schick für eine Koalition mit Merkels Union oder aber für die Rolle des Oppositionsführers? Das war die spannendste Frage eines eher mauen Wahlkampfs. Nun wird es die AfD, mit der aber niemand koalieren will. Über ein Comeback jubeln kann die FDP – noch eine Partei also, die vor vier Jahren knapp an der Fünf-Prozent-Hürde gescheitert war. Dahinter knapp zurück bleiben Linke und Grüne, die seit 2013 als kleine Opposition der großen Koalition Kontra gegeben hatten. Rot-Rot-Grün, im Wahlkampfverlauf vollends verblasst, ist auch rechnerisch unmöglich.

Schwarz-Rot abgestraft: Viel mehr Kabinettsvorlagen als bei der schwarz-gelben Vorgängerregierung, 520 Gesetzentwürfe – die Groko hat fleißig gearbeitet. Besonders die SPD reklamiert viele Erfolge für sich im Bündnis mit einer CDU-Kanzlerin, die viele ohnehin für eher sozialdemokratisch halten. Beim Wähler hat es nicht viel genutzt – er halfterte Schwarz-Rot mit zusammen nur rund 53 Prozent ab. Sowohl CDU/CSU als auch die im Frühjahr so hoffnungsvoll gestartete SPD von Martin Schulz müssen herbe Verluste verkraften. Zum Vergleich: Vor 15 Jahren kamen alle drei zusammen auf 76 Prozent, vor vier Jahren auf 67. Der Rechtsdrall geht einher mit einer Krise der Volksparteien.

Liberale leben noch: Das berühmte Totenglöckchen wurde nach dem Rauswurf der mitregierenden FDP aus dem Bundestag 2013 wieder mal zu früh geläutet. Aus den Trümmern einer abgewirtschafteten Klientelpartei formte die stark verjüngte Parteiführung um Christian Lindner einen neuen liberalen Markenkern. Weniger kalt, weniger schrill, weniger auf Regierungs-Dienstwagen fixiert – dafür mit mehr Demut und Prinzipien, wie Lindner immer wieder betont. Mal schauen, wie weit es trägt – in einer Regierung mit den ganz anders gestrickten Grünen unter der geübten Kleinmacherin Merkel. Oder am Ende doch in der Opposition gegen eine – allerdings extrem unwahrscheinliche – Not-Groko.

Grün und links legen leicht zu:  Trotz Klimawandels, eines Verkehrsinfarkts in vielen Städten und des Diesel-Skandals – Öko-Themen und Umweltbedenken waren diesmal im Wahlkampf kein Renner. Um in Bedrängnis zu geraten, mussten die Grünen vor der Wahl nicht einmal wie 2013 negative Schlagzeilen der Marke „Veggie-Day“ produzieren – am Ende kam es aber besser als befürchtet. Die Linke gefiel sich in außenpolitischen Fundamentalpositionen, einer für viele untragbaren Russland-Nähe, manchen populistischen Avancen und SPD-Bashing zu einer Zeit, als Rot-Rot-Grün noch möglich schien.

Ein Wahlkämpfchen: Zwar arbeitete sich SPD-Kandidat Schulz zeitweise heftig an der Kanzlerin ab: Merkels Wahlkampfstil sei ein „Anschlag auf die Demokratie“. Doch das „Fernsehduell“ der beiden zeigte dann vor allem, wie nahe sie sich grundsätzlich sind. Auch sonst schlug der Wahlkampf nur selten Funken. Oder aber solche, die man lieber nicht sähe – bei öffentlichen Auftritten der als „Volksverräterin“ geschmähten, oft mit Trillerpfeifen übertönten Kanzlerin. Parolen wie „Merkel muss weg“ gehörten da noch zu den harmloseren. Dass die AfD das Hass-Publikum noch befeuerte, lässt für die nächsten Jahre ein raues Polit-Klima in Deutschland erwarten.

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