Was macht Gorbatschow eigentlich heute?

Moskau · Als Freund des Westens hat sich Michail Gorbatschow in seiner Heimat viele Feinde gemacht. Doch nun lässt der Friedensnobelpreisträger, der heute sehr zurückgezogen lebt, mit scharfer Kritik an den USA aufhorchen.

Der Friedensnobelpreisträger Michail Gorbatschow wird im Westen bis heute als einer der "Väter der Deutschen Einheit" und Weltreformer geschätzt. In seiner Heimat aber führt der frühere Präsident der UdSSR ein Schattendasein als "Totengräber" der Sowjetunion . Dass das kommunistische Imperium zusammenbrach, sehen viele Russen als historischen Fehler. Dabei nutzt "Gorbi", wie viele ihn nennen, auch bei der Erinnerung an die Wende gern die Gelegenheit, zumindest die Schuld am Zerfall der Sowjetunion dem damaligen russischen Präsidenten Boris Jelzin zuzuschreiben. Der habe das Ende 1991 besiegelt.

Trotz angeschlagener Gesundheit meldet sich der 83-Jährige immer wieder zu Wort. So warnt er angesichts der Spannungen um den Ukraine-Konflikt vor einem neuen Kalten Krieg. Dabei geht Gorbatschow ungewöhnlich scharf die US-Führung an. "Es gibt heute eine große Seuche - und das sind die USA und ihr Führungsanspruch", sagte er in einem Radiointerview. Die Amerikaner benutzten die Ukraine und andere Länder nur als Vorwand, um weiter nach Vormacht zu streben. Auch im Nachwort seines neuen Buches "Posslje Kremlja" ("Nach dem Kreml") äußert er sich besorgt über die neue Konfrontation zwischen Ost und West.

Der Familienmensch Gorbatschow, der stolz auf seine Enkel ist, lebt zurückgezogen, schreibt Bücher und Artikel und gibt gelegentlich Interviews. In Moskau organisiert seine Stiftung auch Foren zu Fragen der künftigen Entwicklung Russlands, darunter etwa über das Wohltätigkeitswesen und den Klimaschutz.

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