Was geschah in Suite 2806?

Der Reisende in der Ersten Klasse des Air France-Fluges 23 mit Ziel Paris leistete keinen Widerstand, als ihn die beiden in Zivil gekleideten Detektive der New Yorker "Port Authority" am Samstagnachmittag zum Mitkommen aufforderten

Der Reisende in der Ersten Klasse des Air France-Fluges 23 mit Ziel Paris leistete keinen Widerstand, als ihn die beiden in Zivil gekleideten Detektive der New Yorker "Port Authority" am Samstagnachmittag zum Mitkommen aufforderten. Handschellen seien nicht erforderlich gewesen, schildert Polizeisprecher John Kelly die Festnahme von Dominique Strauss-Kahn, dem Chef des Internationalen Währungsfonds (IWF). Für die Fahnder war es ein am Ende erfolgreiches Rennen gegen die Zeit. Nur zehn Minuten vor dem planmäßigen Start auf dem John-F.-Kennedy-Flughafen verließ der Gesuchte den Jet - und hatte Berichten zufolge eine einzige Frage an die Beamten: "Worum geht es denn?"Die Vorwürfe gegen den 62-Jährigen wiegen schwer - und könnten nicht nur seine IWF-Karriere und das geplante Rennen gegen Frankreichs Präsidenten Nicolas Sarkozy abrupt beenden, sondern ihm auch eine langjährige Haftstrafe im berüchtigten Gefängnis Rikers im Bundesstaat New York einbringen. Versuchte Vergewaltigung, ein krimineller sexueller Akt und zeitweise Freiheitsberaubung lauten die drei Punkte der Anklage. Die Mindeststrafen für die ersten beiden Delikte liegen bei 15 Jahren. Das mutmaßliche Opfer: Ein 32 Jahre altes Zimmermädchen eines Luxushotels in Manhattan, wo Strauss-Kahn für 3000 Dollar die Nacht die Luxussuite 2806 angemietet hatte.

Dort soll es am Samstag gegen 13 Uhr - die übliche Checkout-Zeit für New Yorker Hotels - zu dem angeblichen Verbrechen gekommen sein, das nun die Ermittler beschäftigt. Polizeikreise und New Yorker Medien stellen den Ablauf der Ereignisse nahezu übereinstimmend so dar: Die Hotelangestellte habe auftragsgemäß die Suite betreten, um diese zu reinigen - offenbar war man davon ausgegangen, dass der prominente Gast bereits in Richtung Europa unterwegs war, wo er gestern eigentlich in Berlin Bundeskanzlerin Angela Merkel treffen sollte. Das Zimmermädchen habe sich dann mit dem nackten Gast konfrontiert gesehen, der plötzlich aus dem Badezimmer gekommen sei und sie zunächst vom Foyer ins Schlafzimmer gezogen habe, wo er sie dann sexuell bedrängte. Der Frau sei es kurzfristig gelungen, sich zu befreien, doch Strauss-Kahn habe sie dann ins Badezimmer gezogen und zum Oralverkehr gezwungen. Auch habe er versucht, ihre Unterwäsche auszuziehen. Während des Gerangels gelang dem Zimmermädchen die Flucht aus der Suite, und sie vertraute sich anderen Angestellten an. Diese riefen die Polizei.

Als die Beamten Minuten später eintrafen, hatte der frühere französische Finanzminister, der keine diplomatische Immunität genießt und sich gestern über einen Anwalt für "nicht schuldig" erklärte, die Suite bereits verlassen. Zurück blieben, so die Polizei, sein Handy und mehrere andere persönliche Gegenstände. "Er hatte es offenbar sehr eilig", sagte ein Polizeisprecher. Die Beamten ermittelten schließlich, dass Strauss-Kahn auf dem Weg zum Flughafen war, und schickten Beamte der dort stationierten "Port Authority" zu dem Jet, der gleichzeitig mit einem Startverbot belegt wurde. Das Zimmermädchen wurde zum Roosevelt-Hospital gebracht und dort Berichten zufolge wegen "minderschwerer Verletzungen" behandelt. Strauss-Kahn saß gestern noch in einer Haftzelle für Sexualverbrechen.

In Online-Foren begann unterdessen auch in den USA die Debatte darüber, ob der Politiker Opfer einer Verschwörung wurde und ob die massiven Vorwürfe lediglich arrangiert wurden. Das offensichtlich übereilte Verlassen des Hotelzimmers und die Verletzungen des Zimmermädchen könnten es aber der Verteidigung Strauss-Kahns schwer machen, eine solche Version gegenüber einem Geschworenengericht glaubwürdig zu vertreten.

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