Was die Linkspartei von Obama gelernt hat
Berlin. An der Wand steht ein Regal mit Büchern und Faltblättern. Auf dem langen Tisch stapeln sich Papiere und Broschüren. Zehn vorwiegend jüngere Leute sitzen an ihren Computer-Schirmen, bloggen mit Gleichgesinnten, greifen immer wieder zum Telefon. "Da ruft der Kreisverband Braunschweig an und will ein paar Anregungen für die Wahlzeitung weitergeben", sagt einer
Berlin. An der Wand steht ein Regal mit Büchern und Faltblättern. Auf dem langen Tisch stapeln sich Papiere und Broschüren. Zehn vorwiegend jüngere Leute sitzen an ihren Computer-Schirmen, bloggen mit Gleichgesinnten, greifen immer wieder zum Telefon. "Da ruft der Kreisverband Braunschweig an und will ein paar Anregungen für die Wahlzeitung weitergeben", sagt einer. "Stell's hoch zu Julia Marg. Die kümmert sich darum", kommt es vom anderen Ende des Tisches zurück.Insgesamt rund 30 Mitarbeiter steuern in der Berliner Zentrale der Linkspartei die Kampagne zur Bundestagswahl. Die meisten von ihnen sind zeitweilig dafür abkommandiert. Aber auch Studenten und Praktikanten machen mit. Das "WahlQuartier", wie sie es nennen, erstreckt sich über mehrere Räume im ersten und zweiten Stock des Karl-Liebknecht-Hauses. Julia Marg war noch bis vor Kurzem mit der Bearbeitung von Parteitagsanträgen beschäftigt. Nun widmet sich die 30-Jährige ebenfalls ganz dem Wahlkampf. Ein paar Türen weiter beugt sich Wahlkampfleiter Dietmar Bartsch über eine bunte Grafik. Neben den roten und blauen Linien stehen zahlreiche undefinierbare Abkürzungen. Bartsch erklärt, dass sich dahinter ein grober Zeitplan verbirgt, wann die Wahlplakate in Druck gehen, Veranstaltungsanzeigen geschaltet werden, oder die Wahlspots im Fernsehen laufen. Die 35. Kalenderwoche ist mit einem "LTW" gekennzeichnet. Für Bartsch haben die drei Buchstaben eine "strategische Bedeutung". Es gehe um die Landtagswahlen in Thüringen, Sachsen und dem Saarland am 30. August, bei denen die Linke ihren Regierungsanspruch unterstreichen wolle. "Die Bundestagswahl wird ab dem 1. September entschieden", so Bartsch. Zehn Prozent plus X lautet das Ziel der Linken.Bartsch ist Bundesgeschäftsführer der Linken und kennt die scheinbar chaotische Atmosphäre im "WahlQuartier" zur Genüge. Seit 1994 hat der gelernte Wirtschaftswissenschafter sämtliche Wahlkampagnen im Karl-Liebknecht-Haus begleitet. Als Wahlkampfleiter ist es seine zweite Bundestagswahl. Gibt es Unterschiede zu 2005? "Eine Kampagne in Zeiten einer großen Wirtschaftskrise und einer großen Koalition hatten wir noch nicht." Zudem sorge die "Obamania" für frischen Wind, analysiert Bartsch.Er hat den Wahlkampf des neuen US-Präsidenten genau studiert. Am Anfang des Jahres hatte er zwei Mitarbeiter des Obama-Teams in die Parteizentrale eingeladen. Aus ihren Informationen entwickelte das "WahlQuartier" ein eigenes "Handbuch zum Aktivierungswahlkampf". Im Kern geht es darum, auch möglichst viele Nicht-Parteimitglieder in die Werbekampagne der Linken einzubeziehen. Schon bei den Veranstaltungen zur Europawahl wurden deshalb so genannte Aktivierungsformulare verteilt, auf denen potenzielle Interessenten ankreuzen können, ob sie Plakate kleben und Zeitungen verteilen, oder an Infoständen stehen wollen. Auf diese Weise konnten bislang mehr als 3000 "politische Multiplikatoren" gewonnen werden. Auch das Internet spielt nach Einschätzung von Bartsch eine immer größere Rolle für die Linken. Zwar habe die Partei vorwiegend ältere Mitglieder, aber unter den Linkswählern seien die 45- bis 59-jährigen überdurchschnittlich stark vertreten. Die 18- bis 24-jährigen hätten einen Anteil von 7,5 Prozent, so Bartsch. Im Internet bilden sie eine eigene Community. Unter "linksaktion.de" kann jeder mitmischen, der sich als "notorischer Weltverbesserer" betrachtet und der Linkspartei unterstützen will. > Ende der Serie