Was der Abzug der Soldaten bedeutet Umzug nach Lebach verzögert sich

Heidenheim/Rastatt/St. Wendel. Als der St. Wendeler Bürgermeister Klaus Bouillon vor rund 15 Jahren die Idee hatte, aus dem Übungsgelände der französischen Kürassiere nach deren Abzug einen Freizeitpark zu machen, hielten ihn manche für verrückt. Längst ist auf dem früheren Truppenübungsplatz ein Freizeitpark entstanden, der sich sehen lassen kann

Heidenheim/Rastatt/St. Wendel. Als der St. Wendeler Bürgermeister Klaus Bouillon vor rund 15 Jahren die Idee hatte, aus dem Übungsgelände der französischen Kürassiere nach deren Abzug einen Freizeitpark zu machen, hielten ihn manche für verrückt. Längst ist auf dem früheren Truppenübungsplatz ein Freizeitpark entstanden, der sich sehen lassen kann. Bundesweit bekannt ist mittlerweile der 27-Loch-Golfplatz, der Gäste aus ganz Deutschland und dem nahe gelegenen Ausland anlockt. Direkt daneben wurde auf dem ehemaligen Kasernengelände ein Gewerbegebiet angelegt, wo sich zahlreiche Firmen angesiedelt haben. Viele Arbeitsplätze entstanden - das Beispiel zeigt, dass der Abzug von Truppen nicht das Ende für eine Gemeinde bedeuten muss, sondern sogar eine Chance sein kann. Französische Soldaten haben über Jahrzehnte auch das Stadtbild in Rastatt und Baden-Baden geprägt, standen ihre Kasernen doch zum Teil mitten in der Stadt. Als vor rund zehn Jahren der Abzug kam, sahen die Städte ihre Chance und begannen mit dem Umbau. In Baden-Baden ist inzwischen ein eigener Stadtteil entstanden, Rastatt konnte seine Innenstadt neu gestalten.Baden-Baden packte das Thema von Beginn an offensiv an. Nach zähem Ringen kaufte die Stadt dem Bund fast die gesamte von den Franzosen genutzte Fläche von 50 Hektar ab - für rund 30 Millionen Euro. "Damit waren wir von Anfang an Herr des Verfahrens", sagt Baubürgermeister Werner Hirt. Die eigene Entwicklungsgesellschaft Cité übernahm mit einem Stammkapital von fünf Millionen Euro die Planung für den neuen Stadtteil. Sie verkaufte gezielt Grundstücke, um an Geld zu kommen. "Viele junge Familien haben sich für das Bauland interessiert", berichtet Hirt. Mit dem Geld wurden fast alle der in die Jahre gekommenen Reihenhäuser und die Kaserne abgerissen, Straßen und Kanalisation erneuert, Schulen und Kindergärten gebaut und ein Gewerbegebiet angelegt. Die Entwicklungsgesellschaft investierte mehr als 100 Millionen Euro. Wo in den Hochzeiten des Kalten Krieges bis zu 15 000 Soldaten lebten, wohnen heute etwa 2000 Neubürger, in einigen Jahren sollen es 4000 sein.

Rastatt ist dagegen Schritt für Schritt vorgegangen. Wichtigster Baustein war die zehn Hektar große Kaserne "Canrobert", die direkt hinter dem Schloss lag und die barocke Stadtachse durchschnitt. Über mehrere Jahre verhandelte die Stadt mit dem Bund und bekam schließlich den Zuschlag für elf Millionen Euro. "Damit konnten wir einen Teil der Gebäude abreißen und den Schlossgarten fortführen", erzählt Stadtplaner Markus Reck-Kehl.

Seitlich entstanden Neubauten für Ämter und Wohnungen. In ein denkmalgeschütztes Gebäude der Kaserne zog eine Waldorfschule ein. Auf dem zweiten Gelände namens "Carnot" wurden Wohnungen und ein Industriegelände gebaut. Für die restlichen fünf Kasernen, die noch dem Bund gehören, gibt es zum Teil Pläne, aber das Geld fehlt.

Ein schwerer Schlag war das Aus als Bundeswehr-Standort für die mittelfränkische Marktgemeinde Heidenheim im Jahr 2004 - und ist es noch. Das Verteidigungsministerium hatte die Auflösung der Hahnenkamm-Kaserne beschlossen, zwei Panzerbataillone wurden gestrichen, eine Pionierkompanie verlegt. Damit brach eine wichtige wirtschaftliche Säule im strukturschwachen südlichen Mittelfranken weg. Immerhin bot die Garnison Arbeit und Einkommen für rund 900 Soldaten und Zivibeschäftigte.

"Wir haben über Nacht 500 Einwohner verloren", berichtet Christine Löffler von der Verwaltungsgemeinschaft Hahnenkamm. Derzeit leben in der Ortschaft noch knapp 2400 Menschen. Den massenhaften Verlust an Arbeitsplätzen konnte auch ein Hersteller von Hackschnitzel- und Biomasse-Heizungen nicht wettmachen, der sich später auf dem ehemaligen Militärareal ansiedelte. In dem Werk sind gerade mal 60 Jobs entstanden.

Getroffen hat die Kasernenschließung auch den Friseurmeister Christian Pfuff. "Ich sehe für Heidenheim kein Entwicklungspotenzial", stellt er nüchtern fest. Die wirtschaftlichen Probleme der Gemeinde sind deutlich sichtbar: Schon kurz nach dem Kasernen-Aus machte ein italienisches Lokal dicht, die verbliebenen drei Lokale machen meist nur noch am Wochenende auf. Von einst zwei Lebensmitteläden gibt es nur noch einen. Etliche Geschäfte stehen leer, genauso wie viele Wohnungen in der früheren Soldatensiedlung. dpa/jöw

Saarlouis. Die Graf-Werder-Kaserne in Saarlouis wird nicht, wie zunächst geplant, 2014/15 frei, sondern frühestens Mitte 2017. Denn die Fallschirmjäger-Einheiten können erst nach Lebach umziehen, wenn dort die Umbauten für die Führung und die Fernmeldekompanie des Euro-Korps abgeschlossen sind. Der Aufwand ist offenbar unterschätzt worden. Im aktuellen Plan steht auch hinter dem neuen Datum "Zweites Quartal 2017" die Bemerkung: abhängig von der Infrastruktur in Lebach. Es könnte also noch später werden als Frühjahr 2017. Die Kaserne bleibt bis dahin belegt. Bis Herbst 2015 soll zwar die Luftlandepionierkompanie in Saarlouis aufgelöst sein. Aber laut Plan zieht bis Ende 2014 die Fernmelde-Kompanie des Euro-Korps aus Sigmaringen in Saarlouis ein und wartet dort auf die Verlegung nach Lebach.

Im aktuellen Plan ist auch entschieden, dass entgegen ersten Überlegungen Lebach nicht Standort der Nachfolgeeinrichtung des Kreiswehrersatzamts, des Karrierecenters der Bundeswehr (KC), wird, sondern Saarlouis. Dort wird zum 1. Dezember das Kreiswehrersatzamt zum KC umgewandelt. Die Aufgaben bleiben im Wesentlichen die jetzigen: Beratung und Einstellung von Freiwillig Wehrdienst Leistenden (FWD). Zudem wird jeder Saarländer, der zur Bundeswehr will, einen ersten medizinischen und psychologischen Test in Saarlouis machen. Außerdem zieht der Berufsförderungsdienst (BFD) von Trier nach Saarlouis.

Dort sollen laut Leiter Hans-Peter Breit wie bisher bis zu 50 Stellen bleiben. Zugeordnet sind die Stellen, die auf Standortteams des BFD derzeit in Lebach, Idar-Oberstein, Merzig und Daun verteilt sind, dem KC. Zahlen dazu sind noch nicht bekannt. Der Umbau wird an der Zahl der Stellen wenig ändern. Intern aber kommt es zu personellen Verschiebungen. Damit bleiben in Saarlouis nun doch rund 90 Arbeitsplätze der Bundeswehr. 40 entfallen auf das Landeskommando Saarland, das in Saarlouis bleibt. Der stellvertretende Kommandeur Oberstleutnant Peter Erlhofer sagte gestern, die Zahl der Reservisten mit fester Einplanung für den Heimatschutz werde von 60 auf 100 steigen. we

"Wir haben über Nacht 500 Einwohner verloren."

Christine Löffler zum Abzug der Bundeswehr

aus Heidenheim

Meinung

Ob das Sackleinen hält?

Von SZ-RedakteurJohannes Werres

Der Sack ist zu, versicherte Verteidigungsminister Thomas de Maizière im Oktober. Das ist glaubwürdig. Die Reform steht. Aber bleibt der Sack dicht - auf so lange Sicht, bis 2017, fünf Jahre? Wird Geldmangel, wird eine Bundestagswahl Löcher ins Sackleinen reißen? Werden veränderte Rahmenbedingungen Details der Reform verändern? Die Frage stellt sich immer: besonders aber angesichts der Langzeit-Perspektive für Lebach und Saarlouis. Ist also für diese beiden Standorte wirklich das letzte Wort gesprochen? Die Frage relativiert die Einschätzung von Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer und von Saarlouis' Oberbürgermeister Roland Henz, man habe nun Planungssicherheit. Unberührt davon war es eine gute Entscheidung, das künftige Karrierecenter der Bundeswehr im Saarland in Saarlouis einzurichten. Die Stadt behält etwas mehr Bundeswehr als angenommen. Der Standort ist gut erreichbar, die Gebäude müssen nicht umgebaut werden.

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