Sommerpressekonferenz Warum Merkel immer im Dienst ist

Berlin · Bei ihrer jährlichen Pressekonferenz verrät die Kanzlerin ihre Botschaft für die nächsten Jahre – falls sie denn gewinnt.

Die letzte Frage an Angela Merkel lautet, was die Berliner Journalisten denn falsch machen würden, dass sie nicht öfter in die Bundespressekonferenz komme? Die Frau im knallroten Blazer und in der schwarzer Hose, frisch frisiert, antwortet keck mit einer Gegenfrage: „Wie oft hätten Sie mich denn gerne?“ Na ja, wenn man ehrlich ist – einmal ist besser als keinmal. Die Routine, mit der Merkel inzwischen diese Auftritte absolviert, ist ermüdend und bewundernswert zugleich.

21 Mal war die Kanzlerin in den letzten zwölf Jahren Gast der Hauptstadt-Journaille. Das ist nicht viel, aber auch nicht wenig. Meist konnte sie danach zufrieden in ihre gepanzerte Limousine vor dem Haus steigen, um sich die kurze Strecke zurück ins Kanzleramt chauffieren zu lassen. So wie gestern auch, nachdem sie fast 100 Minuten Rede und Antwort gestanden hat. Es hat nichts Verblüffendes gegeben, nichts, was den Wahlkampf anheizen könnte. Als jemand wissen will, warum vieles so öde vor sich her dümpelt in Deutschland, sie eingeschlossen, sagt Merkel nur: „Für mich ist dieser Wahlkampf nicht langweilig.“ Klar, wenn man in den Umfragen führt und der SPD-Herausforderer Martin Schulz – zweimal nennt sie sogar seinen Namen – sich erfolglos abstrampelt; wenn man am Tag zwei Kundgebungen hält und nebenher noch übers internationale Parkett tänzelt, dann kommt selten Langeweile auf. Die zweite Frage passt zur ersten: Was sie denn noch „Überraschendes“ bieten wolle, insbesondere beim TV-Duell am kommenden Sonntag? „Ich gebe mein Bestes“, lautet die simple Antwort. Es wird auch ihre Botschaft für die nächsten vier Jahre sein.

Das Duell ist ohnehin eine heikle Sache: Der Vorwurf steht im Raum, Merkel und ihre Berater hätten den Sendern das enge Korsett des Schlagabtausches abgepresst. So – oder keins. Lapidar reagiert die Kanzlerin auf diese Kritik: Das Format habe sich bewährt, „und es ist ja nicht so, dass es für mich immer super ausgegangen ist“. Stimmt. Abgehakt. Nächste Frage. Warum sie CDU-Wahlkampfauftritte mit einem Regierungshubschrauber absolviere und die Union dafür nur einen Spottpreis bezahle? Sie halte sich an die Richtlinien, erläutert Merkel, und sie nutze die Hubschrauber, „weil ich immer im Dienst bin“. Auch hier – Haken dran. Zu guter Letzt: Weshalb prima bezahlte Beamte des Kanzleramtes für die CDU-Zentrale zusätzlich als 450-Euro-Minijobber im Wahlkampf eingesetzt würden, will ein holländischer Journalist wissen. Wo doch CDU-Generalsekretär Peter Tauber gesagt habe, Minijobber hätten nichts gelernt. Auch das bringt Merkel nicht einmal im Ansatz aus der Fassung. Alles sei transparent und klar getrennt. Im Übrigen teile sie die Äußerung Taubers nicht. Merkel ist nicht zu packen.

Nach 60 Minuten schauen die ersten verstohlen auf die Uhr. Und dennoch: Wie unerschütterlich Merkel da oben auf dem Podium sitzt, mit welcher Leichtigkeit und Sachkenntnis sie die Themen doziert, das erklärt, warum sie bei vielen Bürgern den Ruf der Verlässlichen in unsicheren Zeiten genießt. Die Lage in der Türkei, in Syrien, die Sanktionen gegen Russland, dazwischen eine Frage zur deutschen Stahlindustrie, dann wieder Euro, Griechenland und der Diesel. Und wenn es um ihre Rolle in der Weltpolitik geht, läuft sie erst zur Hochform auf. Bei alledem will sie freilich nicht so wirken, als sei die Wahl schon gewonnen. Darauf legt Merkel erkennbar wert. Einmal ergänzt sie einen Gedenken mit dem Zusatz, das gelte natürlich nur, wenn sie weiterhin Kanzlerin sei. „Damit es nicht als Arroganz angesehen wird.“

Allerdings ist dieser Wahlkampf für Merkel deutlich ungemütlicher als früher. Bei ihren Auftritten vor allem in Ostdeutschland wird sie wegen ihrer Flüchtlingspolitik ausgebuht. „Merkel muss weg“ bekommt sie dort zu hören. Wie geht sie damit um? „Ich glaube, dass es richtig ist, sich dem zu stellen“, erläutert sie. „Damit muss man leben.“ Auch das ist inzwischen Routine.

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