„Warum ich nicht mehr schweigen will“

Mut. Wer mit Frauen über Jenna Behrends spricht, der hört oft dieses Wort. Denn großer Mut gehörte wohl dazu, als die 26-jährige CDU-Politikerin aus Berlin am vergangenen Freitag in einem offenen Brief den Sexismus in ihrer Partei anklagte. Sexismus , das ist jetzt ein Thema. Ein anderes sind Gerüchte über Affären, die sie angeblich mit anderen CDU-Politikern habe. "Was jetzt losgetreten wurde, das schockiert mich nachhaltig", sagt Behrends. Denn es lenkt ab - davon, worum es eigentlich geht. Sexismus . In der Gesellschaft, im Job, in der Politik. Den machte die junge Politikerin öffentlich - schrieb etwa von einem Berliner Senator, der sie als "große süße Maus" bezeichnete. "Warum ich nicht mehr über den Sexismus in meiner Partei schweigen will", betitelte sie ihren Text. Und das Schweigen, das hat jetzt erstmal ein Ende. Es erinnert ein bisschen an die #aufschrei-Debatte. Vor rund dreieinhalb Jahren machte die Journalistin Laura Himmelreich eine anzügliche Äußerung des FDP-Politikers Rainer Brüderle öffentlich ("Sie können ein Dirndl auch ausfüllen.") und stieß eine Debatte über alltäglichen Sexismus an.

 Nach ihren Seximus-Vorwürfen wird gegen die Berliner CDU-Politikerin Jenna Behrends scharf geschossen. Foto: Kembowski/dpa

Nach ihren Seximus-Vorwürfen wird gegen die Berliner CDU-Politikerin Jenna Behrends scharf geschossen. Foto: Kembowski/dpa

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Jetzt rückt der Fokus auf die Politik: Zahlreiche Politiker äußern sich zum Thema. Sexistische Sprüche und sogenannte Herrenwitze seien "nicht nur altmodisch, sondern völlig inakzeptabel", erklärte etwa Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig (SPD ). Und auch in der eigenen Partei muss sie nach Anhängern solcher Scherze nicht lange suchen: So stellte sich etwa der saarländische Umweltminister Reinhold Jost vor drei Jahren der SPD-Fraktion im Bundestag als "Vertreter der klaren Sprache und des gepflegten Herrenwitzes" vor. Die aus dem Saarland stammende CDU-Bundestagsabgeordnete Nadine Schön forderte in der SZ (siehe unten), das Thema müsse in der Partei und der Gesellschaft stärker diskutiert werden. Der Linke-Chef Bernd Riexinger begrüßte Behrends' Schritt ebenfalls. "Ich finde, die CDU hat's wirklich nötig, dass sie diese Debatte führt." Sie sei im Grunde aber in allen Parteien nötig.

Sexismus in der Politik - ein Thema, das zu lange ignoriert wurde? "Das ist natürlich auch ein Problem in politischen Parteien", sagt Gesine Agena, frauenpolitische Sprecherin der Grünen. Auch sie ist eine junge Politikerin, kennt das Thema. In der Partei habe sie auch schon mal doofe Sprüche gehört. "Das erleben viele Politikerinnen ." Allerdings, das ist der 29-Jährigen wichtig: Die Grünen besetzen etwa ihre Listen und Gremien paritätisch - das heißt mit Männern und Frauen zu gleichen Teilen. So komme es seltener zu sexistischem Verhalten. Ein Blick auf die Mitgliederzahlen von Parteien zeigt: Grüne und die Linke liegen mit ihrem Frauenanteil im Vergleich vorn, Schlusslichter sind bei den im Bundestag vertretenen Parteien die CSU und CDU .

Jenna Behrends sagt, sie habe "parteiübergreifende Solidarität" erfahren. Aber das, was da nun über sie hereinbricht, das macht auch nervös. "Es fühlt sich aber schon ein bisschen komisch an, jetzt stellvertretend - symbolisch - für dieses Thema zu stehen", gibt sie zu. "Ich glaube, das war der richtige Schritt", betont Nora-Vanessa Wohlert, Gründerin von "Edition F", dem feministischen Online-Magazin, in dem Behrends ihren Text veröffentlichte. Sie sieht das Problem nicht nur in der Politik, es sei viel breiter, im Job immer wieder ein Thema. Wohlert glaubt aber auch: "Mit sowas an die Öffentlichkeit zu gehen, ist immer auch eine Gefährdung der eigenen Karriere." Denn auch Behrends muss erfahren, dass in der Debatte auch scharf gegen sie geschossen wird.

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