Warum die Piloten auf den Barrikaden sind

Frankfurt · Bei Lufthansa stehen die Zeichen auf Streik. Die Vereinigung Cockpit (VC) kann zwar immer weniger mit Verständnis für ihre Top-Verdiener rechnen, aber es gibt auch Gründe für harte Streiks.

Auf den Job-Seiten der Fluggesellschaften wird der Beruf des Piloten als Traumjob dargestellt. Details wie der theoretisch mögliche Vorruhestand ab 55 Jahren und Gehälter bis 250 000 Euro jährlich nähren zusätzlich Faszination - und bei vielen wohl auch Neid gegenüber einer Berufsgruppe, die mit einer enormen Streikmacht ausgestattet ist. Doch selbst die Lufthansa warnt inzwischen Interessenten: Auf ihren Internet-Seiten werde die "alte Welt" des Traumjobs gezeigt, die vor erheblichen Veränderungen stehe. Genau um diesen Wandel geht es auch bei dem seit Jahren laufenden Tarifstreit.

Die Piloten verteidigen Privilegien: Die Piloten im Lufthansa- Konzerntarifvertrag (KTV) gehören im EU-Vergleich zu den Top-Verdienern. Ihre Arbeitsbedingungen sind in zahlreichen Verträgen geregelt, von denen mindestens sechs strittig sind. Dort sind die Top-Gehälter, Vorruhestandsregeln mit 60 Prozent des Grundgehalts oder üppige Garantie-Betriebsrenten festgehalten.

Der Wohlfühlbereich schrumpft: Schon heute sind die 5400 KTV-Piloten die Minderheit im Lufthansa-Konzern, der zuletzt durch Zukäufe stark gewachsen ist. Seit 2016 stellt Lufthansa nicht mehr zu KTV-Bedingungen ein. Wenn Stellen frei werden, versetzt sie KTV-Piloten von der Tochter Germanwings zur Lufthansa-Mutter. Die entsprechenden Germanwings-Jets werden zur neuen Auslandstochter Eurowings Europa in Wien transferiert, wo deutsche Tarifbedingungen nicht greifen. Zudem müssen die Co-Piloten bei Lufthansa heute länger auf ihre erste Kapitänsstelle warten.

Lufthansa hat einen langen Atem: Die letzte tarifliche Gehaltserhöhung für die Piloten datiert aus dem Jahr 2011, die VC spricht daher von einem massiven Kaufkraftverlust. Individuell sieht das allerdings anders aus, denn jeder KTV-Pilot kann sicher sein, bis zu einer Obergrenze jedes Jahr eine neue Einkommensstufe zu erreichen, auf der es im Schnitt drei Prozent mehr Geld gibt. Damit soll die erworbene Erfahrung abgegolten werden.

Die Piloten-Vertretung will ihren Einfluss sichern: Lufthansa-Chef Carsten Spohr hat seine Ankündigung längst wahr gemacht, dass die Lufthansa-Gruppe nur noch dort wächst, wo sie profitabel ist. Beim expandierenden Billigflieger Eurowings mit seinen zahlreichen Teilgesellschaften hat die VC deutlich weniger zu sagen, mit Ausnahme der Germanwings . Cockpit versucht daher, weitere Gesellschaften in den Geltungsbereich des KTV zu holen. Das aber ist kein zulässiges Streikziel - weshalb es vordergründig um Gehaltsfragen mit der Forderung nach kumuliert 22 Prozent mehr Geld für fünf Tarifjahre geht.

Der Arbeitsmarkt ändert sich: Bis vor wenigen Jahren wurden die Piloten in strengen Verfahren handverlesen und in der Ausbildung finanziell unterstützt. Nicht zuletzt private Fliegerschulen haben inzwischen mehr Piloten ausgebildet als der Arbeitsmarkt aufnimmt. Schätzungen der Pilotenverbände gehen von bis zu 16 Prozent arbeitslosen Piloten in Europa aus. Im internationalen Arbeitsmarkt konkurrieren sie zunehmend mit Crews aus Asien. Zudem fliegen bei kleineren europäischen Gesellschaften Piloten für ein Drittel der Gehälter, die etablierte Airlines zahlen.

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