Statistik zu Judenfeindlichkeit Warum Daten zu Antisemitismus mit Vorsicht zu genießen sind

Berlin · Nicht jede Straftat, die sich in Deutschland gegen Juden richtet, wird auch als solche erfasst. Die Dunkelziffer ist hoch, NGOs erheben eigene Daten.

Die Erfassung und Auswertung von Daten über Straftaten gegen Juden ist in Deutschland umstritten. Antisemitische Vorfälle werden jährlich vom Bundesinnenministerium in der Statistik zur politisch motivierten Kriminalität (PMK) ausgewertet.

Darin werden die Straftaten nach den Beweggründen der Tatverdächtigen klassifiziert: rechts, links oder ausländisch motiviert. Daneben gibt es noch Fälle, die keinem der drei zugeordnet werden. Der vom Bundestag eingesetzte unabhängige Expertenkreis Antisemitismus bezeichnet die PMK-Statistik zwar als „die einzige einheitlich erfolgende Datenerhebung auf einer breiten Informationsgrundlage“ und als „wichtiges Mittel der Beobachtung von Hasskriminalität“, rät aber, man solle die Zahlen „nicht als Abbild der Realität missverstehen“.

Es gebe wegen vieler nicht angezeigter Straftaten ein Dunkelfeld. Zudem hänge es von Erfahrung, Sensibilität und Kenntnisstand der ermittelnden Beamten ab, ob eine antisemitische Straftat als solche erkannt und korrekt klassifiziert werde. So werden laut Expertenkreis Taten mit Bezügen zum Nationalsozialismus in der PMK-Statistik dem rechten Spektrum zugeordnet, obwohl sich auch andere Tatverdächtige der NS-Symbolik bedienen könnten. „Damit entsteht möglicherweise ein nach rechts verzerrtes Bild.“

Nichtregierungsorganisationen (NGOs) wie die Amadeu Antonio Stiftung oder die Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus Berlin (Rias) erheben eigene Daten. Sie beziehen auch niederschwellige Vorkommnisse mit ein. Die Rias nimmt selbst Meldungen über antisemitische Vorfälle auf und wertet Medienberichte und polizeiliche Erhebungen aus. Rias-Pressesprecher Alexander Rasumny teilt die Kritik an der PMK-Statistik, dass dort etwa der Schriftzug „Juden raus“ ohne Urheber und Motivation als rechte Tat gewertet werde. Er gibt zu bedenken, dass Antisemitismus „ein gesamtgesellschaftliches Problem“ sei. „Es ist nicht sinnvoll, sich auf eine Tätergruppe zu konzentrieren.“

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