Warum an der Saar im Bundesvergleich so wenige Frauen arbeiten

Saarbrücken · Nach einer Bertelsmann-Studie ist in keinem anderen Flächenland die Beschäftigung von Frauen so gering wie an der Saar. Gründe gibt es viele: Fehlende Betreuungs-Einrichtungen für Kinder, starre Öffnungszeiten, unflexible Arbeitszeit-Modelle.

 Die Frau am Herd, nicht im Beruf. Auch an der Saar wurde dieses Familienbild jahrzehntelang aufrecht erhalten. Foto: AKg Images

Die Frau am Herd, nicht im Beruf. Auch an der Saar wurde dieses Familienbild jahrzehntelang aufrecht erhalten. Foto: AKg Images

Foto: AKg Images

. An dieses Gespräch erinnert sie sich noch so genau, als wenn es erst gestern gewesen wäre: "Warum willst du denn arbeiten gehen? Du hast doch einen Mann und auch ein Kind daheim", wurde Ute Knerr gefragt. Damals stieg sie gerade ins Berufsleben ein, heute leitet die Ende 50-Jährige die Servicestelle Arbeiten und Leben im Saarland bei der Standort-Agentur Saaris. "Ich hatte damals aber auch noch eine Oma, die ich fragen konnte. Würde meine Tochter, die heute Mitte 20 ist, ein Kind bekommen, müsste ich ihr sagen: Ich arbeite Vollzeit und kann mich nicht um dein Kind kümmern."

Dass im Saarland deutlich weniger Frauen berufstätig sind als in allen anderen Flächenländern Deutschlands, wie es jetzt die Bertelsmann Stiftung ermittelt hat, wundert Knerr nicht. So sei gerade an der Saar das traditionelle Familienbild besonders lange gepflegt worden. Zudem habe der Bergbau über Jahrzehnte hinweg die überwiegende Zahl an Arbeitsplätzen gestellt. Ein Beruf, der fast ausschließlich auf Männer zugeschnitten war. Mit der Folge, dass viele Frauen von Bergarbeitern aus jener Zeit bis heute keinen Beruf gefunden haben, was die bundesweite Vergleichs-Statistik zusätzlich belastet.

Als Hauptgrund für das schlechte Abschneiden im Bundesvergleich führen viele Experten aus dem Saarland die immer noch schwierige Vereinbarkeit von Familie und Beruf an. Hauptforderung ist immer wieder die Verbesserung der Betreuungseinrichtungen für die Kinder berufstätiger Eltern. "Hier liegt der Hase im Pfeffer", sagt die Saaris-Expertin Knerr. Zahlreiche dieser Einrichtungen seien mit ihren Öffnungszeiten weit von der betrieblichen Realität entfernt. Knerr sieht dringenden Handlungsbedarf beim Gesetzgeber. Es müsse endlich völlig normal sein, dass Berufspendler ihre Sprösslinge in einer Kinderbetreuung am Arbeitsort unterbringen können, nicht nur am Wohnort. Zudem müssten die Bezahlmodalitäten in den Einrichtungen stärker an Teilzeit-Arbeitsmodelle angepasst werden. Eine Friseurin in Teilzeit könne nur schwer eine Ganztags-Betreuung bezahlen, wenn sie vor der Alternative steht: entweder ein Ganztagsplatz oder überhaupt keiner. Knerr bescheinigt jedoch, wie auch andere Experten, dass sich das Saarland inmitten einer Aufholjagd befindet. So werde inzwischen viel getan, auch in Kleinbetrieben, um flexible Arbeitszeitmodelle anzubieten. Dass es auch in Großunternehmen funktionieren kann, beweist das Klinikum Saarbrücken . Dessen Geschäftsführerin Susann Breßlein verweist auf 300 Arbeitszeitmodelle bei 1900 Beschäftigten. Und nach Kindergartenplätzen fragten inzwischen auch verstärkt junge Ärzte.

Joachim Malter, Hauptgeschäftsführer des Verbandes der Metall- und Elektroindustrie, appelliert an junge Saarländerinnen, sich in ihrer Berufswahl auch in ehemals klassische Männerdomänen zu wagen. "Die Industrieunternehmen schreien alle nach Frauen", so Malter. Elke Borowski bestätigt dies auch für Handwerksbetriebe. "Die beste Meisterprüfung im Kfz-Handwerk hat 2014 eine junge Saarländerin abgelegt." Eugen Roth , Chef des DGB an der Saar , geht noch einen Schritt weiter. "Wir brauchen mehr Chefinnen. Dann ändert sich das Betriebsklima. Die wissen, wo die Sorgen und Nöte sind. Und die wissen, wie man Familie und Beruf am besten in Einklang bringen kann."

Meinung:

Alte Zöpfe abschneiden

Von SZ-RedakteurThomas Sponticcia

Im Saarland , besonders in ländlichen Gebieten, wurden viel zu lange einige Vorurteile gepflegt. Etwa dass eine Rabenmutter ist, wer berufstätig sein will, statt sich daheim um die Kinder zu kümmern. Oder dass sich Frauen überhaupt einen Beruf suchen, wo sie am Ende ja doch nur Kinder bekommen. Und durch ihren Mann abgesichert sind. Ganz zu schweigen von dem Rat: Hände weg von Männerberufen. All das hat das Saarland in der beruflichen Wirklichkeit weit zurückgeworfen. Will die Region im bundesweiten Vergleich der Beschäftigung von Frauen aufholen, braucht man vorrangig mehr Betreuungseinrichtungen für Kinder berufstätiger Eltern mit besseren Öffnungszeiten - und deutlich flexiblere Arbeitszeit modelle.

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