Warten auf ein Wunder

Das Wahlergebnis verschlug zunächst allen politischen Akteuren in Griechenland die Sprache. Auch anderthalb Stunden nach den ersten Prognosen wollte sich nicht einmal der neue Polit-Star Alexis Tsipras vom Bündnis der radikalen Linken äußern. Dabei ist seine Partei der eigentliche Wahlsieger, sie hat ihren Stimmanteil im Vergleich zur Wahl vom 6. Mai nahezu verdoppelt

Das Wahlergebnis verschlug zunächst allen politischen Akteuren in Griechenland die Sprache. Auch anderthalb Stunden nach den ersten Prognosen wollte sich nicht einmal der neue Polit-Star Alexis Tsipras vom Bündnis der radikalen Linken äußern. Dabei ist seine Partei der eigentliche Wahlsieger, sie hat ihren Stimmanteil im Vergleich zur Wahl vom 6. Mai nahezu verdoppelt.Weit über ein Drittel der Wähler hat bei der zweiten Parlamentswahl binnen sechs Wochen eine klare Botschaft ausgesandt: Schluss mit dem Spar- und Reformkurs. Die Wähler wollen auch, dass sich die Politiker zusammenraufen und eine stabile Regierung auf die Beine stellen.

Aber danach sah es zu Beginn des Wahlabends nicht aus. Denn Griechenland stand im Prinzip wieder da, wo es nach der Wahl vor sechs Wochen schon einmal stand. Es gibt keine klaren Mehrheiten. Es drohen wieder nervenaufreibende Koalitionsverhandlungen. Noch ist nicht entschieden, ob Griechenland in der Eurozone bleibt oder zur Drachme zurückkehrt - mit all den unabsehbaren Folgen.

Das politische Klima bis zur Wahl war äußerst emotional. Einerseits waren die Wähler zornig, weil ihre Politiker das Land fast in die Katastrophe geführt haben. Andererseits hatten sie Angst, dass sie noch mehr von dem Wohlstand verlieren könnten, den sie in den vergangen 30 Jahren erworben hatten.

An den politischen Fronten ändert diese Wahl nichts. Die Konservativen und ihr Chef Antonis Samaras wollen einerseits mit Reformen und tiefgreifenden Änderungen ein neues Kapitel aufschlagen. Andererseits beklagen die Konservativen, das harte Sparprogramm würge die griechische Wirtschaft ab. Die Arbeitslosenquote liegt bei 23 Prozent. Jeder zweite junge Grieche hat keine Arbeit. Soziale Explosionen scheinen nur eine Frage der Zeit. Deshalb wollen auch die Konservativen in Verhandlungen mit den Geldgebern erreichen, dass das Sparpaket gelockert wird.

In dem ganzen Dilemma gibt es auch politische Gewinner. Das ist vor allem das Bündnis der radikalen Linken (Syriza). Ihr Chef Alexis Tsipras ist in der Krise zum Star geworden. Viele ehemalige Wähler der Sozialisten sind zur radikalen Linken übergelaufen. Zudem vertrauen junge Menschen mehr den Linken als den Konservativen und den Sozialisten. Die hatten das Land schließlich mit Vetternwirtschaft und Korruption ganz nah an den Abgrund geführt. Tsipras will das Sparprogramm auf Eis legen und sogar die Löhne anheben. Wie er das schaffen will, vor allem wenn die Geldgeber den Geldhahn abdrehen, sagt er nicht.

Auch die Faschisten von der Partei Goldene Morgenröte profitieren von Protestwählern. Mit bis zu sieben Prozent der Stimmen werden sie auch wieder im neuen Parlament vertreten sein.

In einer Sache sind sich alle Griechen einig: Das Land benötigt dringend eine handlungsfähige und stabile Regierung, die es aus der Krise führt. "Macht es doch so wie die griechische Nationalmannschaft: mit nationaler Einigkeit", meinte ein Radiokommentator. Am Samstagabend hatten die Griechen bei der Fußball-EM den Favoriten Russland mit einem überraschenden 1:0 Sieg nach Hause geschickt. Ausgiebig wurde anschließend das "Wunder von Warschau" gefeiert.

Auch in Athen wäre ein Wunder nötig, damit Griechenland endlich zur Ruhe kommt. Denn selbst wenn die Befürworter eines pro-europäischen Kurses am Ende gewinnen, könnten Linksradikale und Kommunisten mit Streiks alle Reformbemühungen zunichtemachen. Vorsichtig optimistisch wertete gestern der Wirtschaftsweise Peter Bofinger den Ausgang der Parlamentswahl. Sollten die gemäßigten Kräfte die neue Regierung bilden, könnte das für Entspannung an den Finanzmärkten sorgen. "Macht es

wie die griechische Nationalelf:. mit nationaler Einigkeit."

Wunsch eines Radiokommentators an die Politik

Meinung

Hickhack muss ein Ende haben

Von SZ-KorrespondentDetlef Drewes

Europa täte gut daran, an diesem Montagmorgen die Scherben der Wahlschlacht um Athen wieder zusammenzukehren. Wie auch immer sich am Ende der nun beginnenden Gespräche eine neue Regierung zusammensetzt, sie wird von den Partnern Erleichterungen einfordern. So richtig es war, noch am Tag vor dem Urnengang eine harte Linie in Sachen Reform und Sparzwang zu vertreten, so angemessen ist es jetzt, für Erträglichkeit zu sorgen. Dass über Euro-Bonds "light" diskutiert wird, dass sich prominente Europäer wie Euro-Gruppen-Chef Juncker über eine Verlängerung der Fristen für Reformen und Rückzahlungen Gedanken machen - all das ist die richtige Richtung.

Wer Griechenland wirklich zu Reformen anhalten will, muss sich fragen lassen, ob nicht ein wenig mehr Realismus bei den Forderungen angebracht ist. Den Schlüssel dazu haben die Euro-Partner in der Hand. Athen braucht nämlich nicht immer nur neue Auflagen, sondern eine realistische Perspektive. Dazu gehören Wachstumsinitiativen, die Jobs erhalten und schaffen. Die Rettung des Euro ist keine Aufgabe für die neue griechische Regierung alleine, sondern für alle Europäer.

Deshalb wird es jetzt Zeit, dass Frankreich wie Italien, Großbritannien und Deutschland sich an einen Tisch setzen, um aus Meinungsverschiedenheiten eine gemeinsame Linie zu machen. Nichts schadet der Währungsunion derzeit mehr als das ewige Hickhack um immer neue Vorschläge.

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