Warnschuss von Littleton blieb ohne Folgen

Washington. Columbine ist inzwischen überall. In Winnenden und Erfurt, an der US-Universität Virginia Tech und im Seniorenheim von Carthage in North Carolina. Heute jährt sich zum zehnten Mal der Amoklauf an der Columbine High School im US-Städtchen Littleton. Zwei Außenseiter, der 18-jährige Eric Harris und der ein Jahr jüngere Dylan Klebold, erschossen 13 Menschen und dann sich selbst

Washington. Columbine ist inzwischen überall. In Winnenden und Erfurt, an der US-Universität Virginia Tech und im Seniorenheim von Carthage in North Carolina. Heute jährt sich zum zehnten Mal der Amoklauf an der Columbine High School im US-Städtchen Littleton. Zwei Außenseiter, der 18-jährige Eric Harris und der ein Jahr jüngere Dylan Klebold, erschossen 13 Menschen und dann sich selbst.

Es war das bis dahin folgenschwerste Schulmassaker, Amokläufer rund um die Welt nahmen sich die Tat zum Vorbild. Doch der Warnschuss von Columbine ist in den USA fast folgenlos verhallt. Amokläufe mit Waffengewalt ziehen in den Vereinigten Staaten eine blutige Spur durch Lehranstalten, Einkaufszentren und Bürogebäude. Allein seit Anfang März registrierte die Polizei acht Amokläufe mit 57 Toten.

Der 41-jährige Jiverly Wong erschoss im Staat New York 13 Menschen in einem Einwanderungszentrum. Der 27-jährige Michael McLandon raste in Alabama wutentbrannt im Auto übers Land und tötete unterwegs zehn Menschen. Der 45-jährige Robert Steward erschoss im Altersheim von Carthage sechs Senioren und eine Pflegerin. Sie alle hatten sich problemlos Schusswaffen besorgen können, die Waffengesetze in den USA zählen zu den lockersten weltweit. Waffengegner prallen in ihrem Kampf für schärfere Gesetze weiterhin an mächtigen Lobbys und am Unwillen der Politik ab. Die wenigen Schutzbestimmungen, die es gibt, sind von Schlupflöchern durchsiebt wie Zielscheiben auf dem Schießplatz. Paul Helmke, Präsident der Brady-Kampagne gegen Waffengewalt, zählt zu den bekanntesten Verfechtern schärferer Gesetze. "Als im März zehn Menschen an salmonellenverseuchter Erdnussbutter starben, leitete der Kongress sofort eine Gesetzesreform ein", sagt Helmke. "Wenn aber Dutzende bei Amokläufen sterben, tun Kongress und Weißes Haus nichts." In den meisten der 50 US-Bundesstaaten können Erwachsene tödliche Schusswaffen bis hin zu halbautomatischen Sturmgewehren fast ohne Einschränkung im Laden kaufen. Jedes Jahr sterben in den USA etwa 30 000 Menschen durch Schusswaffen, 40 Prozent sind Tötungsdelikte, der Rest Selbstmorde. Mehr US-Bürger werden im eigenen Land erschossen als bei Kriegseinsätzen im Ausland. Die Debatte über Waffen hat längst die Form eines Glaubenskriegs angenommen, was politische Kompromisse schwierig macht. Befürworter überhöhen den Waffenbesitz zu einer unverzichtbaren kulturellen Eigenheit der USA.

Auch der neue US-Präsident Barack Obama wird keine umfassende Waffenkontrolle durchsetzen können, weil auch viele Abgeordnete seiner Demokraten dagegen sind. Der mächtige Waffenlobby-Verband National Rifle Association hat vier Millionen Mitglieder und viel publizistische Macht. Etwa 45 Prozent der US-Haushalte besitzen Waffen, die Besitzer sind ein wichtiges Wählerreservoir. Obama plant einige kleinere Schritte: Der Verkauf von Sturmgewehren soll verboten werden, Waffen sollen Kindersicherungen bekommen, Käufer sollen registriert werden. Es wäre die erste Verschärfung der Waffengesetze seit 15 Jahren. Harris und Klebold, die Attentäter, hatten sich vor ihrer Bluttat ein halbes Dutzend Schusswaffen besorgt, ohne dass es irgend jemandem auffiel. Harris brachte zwei halbautomatische Waffen mit in die High School und gab 121 Schüsse ab, Klebold feuerte mit ebenfalls zwei Waffen mehr als 55 Schüsse ab. Die Schulbücherei, in der die meisten Opfer starben, ist inzwischen abgerissen und neu aufgebaut. Vor zwei Jahren wurde auf dem Schulgelände ein Mahnmal eingeweiht, das an die 13 Opfer erinnert. "Kongress und Weißes Haus tun nichts."

Paul Helmke, Präsident der Brady-Kampagne gegen Waffengewalt

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