Wallonen bleiben bei Ceta hart

Brüssel · Beim EU-Gipfel in Brüssel sollte es um Handelspolitik gehen. Doch die Gespräche um das Ceta-Abkommen endeten im Streit. Im Fokus standen die Belgier. Probleme gab es aber auch mit den Briten – und Russland.

Dass 28 EU-Staats- und Regierungschefs das Ergebnis ihres Treffens 75 wallonischen Volksvertretern überlassen mussten, hat es auch noch nicht gegeben. "Es laufen noch Beratungen in Belgien", mehr wollte Kanzlerin Angela Merkel gestern zum eigentlichen Reizthema Ceta nicht sagen. Und so blickten die EU und Kanada gemeinsam an diesem Tag weniger nach Brüssel als nach Namur, wo der Ministerpräsident des wallonischen Landesteils, Paul Magnette, zur Schlüsselfigur wurde.

"Die Frage ist: kaufen wir die Katze im Sack?", fragte er am Vormittag in seinem Mini-Parlament. Die frankophonen Belgier blieben beharrlich: Ceta, das europäisch-kanadische Freihandelsabkommen, lehnten sie gestern erneut ab. "Wenn Schiedsgerichte und nicht belgische Höfe in Streifragen entscheiden, sind wir draußen", formulierte Magnette. "Chlorhühner wollen wir nicht", hieß aus der sozialistischen Mehrheitsfraktion in der Regionalvertretung. Dabei hatten in der Nacht zuvor noch die EU-Botschafter einen Kompromiss ausgearbeitet, mit dem man die wallonischen Bedenken ausräumen wollte. Auch der wurde zurückgewiesen.

Im Kreis der Regierungschefs kam es sogar zu einem Wortgefecht, als Belgiens Premier Charles Michel Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker aufforderte, mit den Wallonen zu sprechen. Doch der konterte nur kühl: "Wer ist der belgische Regierungschef? Sie oder ich?". Am Schluss, den es (noch) nicht gab, stand die EU ebenso sprachlos wie ohnmächtig da. Formal, so betonte Handelskommissarin Cecilia Malmström, bleibe noch bis Montag Zeit. Dann aber sollte man der kanadischen Führung ("Die müssen ja auch mal ihre Flugtickets kaufen") schon sagen, ob der Vertrag am Donnerstag in Brüssel unterzeichnet werden kann. Am Wochenende will man weiter verhandeln, auch wenn Premier Michel schon sagte, er sei "beunruhigt über den Ernst der Lage".

Sollte der belgische Landesteil nicht einlenken, steht Ceta vor dem Aus. Denn es werden 28 Unterschriften benötigt. Das passte zur miesen Stimmung der Staats- und Regierungschefs , die sich schon in der Nacht breitgemacht hatte. Bis zum Aperitif waren sich die meisten einig, dass man Russland mit Sanktionen drohen solle, um die Luftangriffe Moskaus auf die syrische Stadt Aleppo einzudämmen. Dann kippte die Stimmung, nachdem zunächst Ungarn und Griechenland sowie schließlich auch Italiens Premier Matteo Renzi umgefallen waren und Kremlchef Wladimir Putin lieber nicht reizen wollten.

Am Ende fand man das, was Merkel gestern als das "Mindeste" bezeichnete, auf das man sich habe einigen können - einen nichtssagenden diplomatischen Kompromiss: Falls die Luftangriffe weitergingen, werde man sich "überlegen, was tun wir jetzt", wie es die Kanzlerin ausdrückte. Selbst die sonst auf Ausgleich bedachte deutsche Regierungschefin meinte nach dem Treffen, sie hätte eine "schärfere Formulierung vorgezogen". Doch von der anfänglich harmonischen Geschlossenheit war da schon nicht mehr viel übrig. Als sich die neue britische Premierministerin Theresa May dann auch noch erdreistete, die Kollegen dafür zu kritisieren, dass sie sich bereits ohne London im Kreis der 27 zu einem Gipfel in Bratislava getroffen hatten, gab es nur noch blankes Unverständnis. "Das ist eine Folge des Brexits", raunzte EU-Ratspräsident Donald Tusk zurück. Angeblich soll er noch nachgeschoben haben: "Wer nicht mehr mit am Tisch sitzen will, kann auch nicht mitessen."

Drei zentrale Themen - kein Durchbruch. Selbst die Kanzlerin, die frühere Treffen mit dem Satz "Das war ein guter Tag für Europa" zu beenden pflegte, brachte nur ein "Wir haben uns mit Migration, dem Verhältnis zu Afrika und der Situation in Syrien beschäftigt" heraus.

Wirklich zufrieden war also keiner der 28 Hauptdarsteller, was nicht zuletzt an 75 wallonischen Abgeordneten lag, die die EU an die Leine gelegt hatten.

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