Wahlumfragen und der Faktor X

Saarbrücken/Berlin. Wenn es um Wahlumfragen geht, kann sich Oskar Lafontaine schnell in Rage reden. Der Chef der Linkspartei poltert dann schon mal los, schimpft auf die Gilde der Meinungsforscher, die seine Partei mit Absicht kleiner machen würde. Tatsächlich fällt auf, dass die Demoskopen vor der Landtagswahl beim Ergebnis der Linkspartei völlig daneben lagen

Saarbrücken/Berlin. Wenn es um Wahlumfragen geht, kann sich Oskar Lafontaine schnell in Rage reden. Der Chef der Linkspartei poltert dann schon mal los, schimpft auf die Gilde der Meinungsforscher, die seine Partei mit Absicht kleiner machen würde. Tatsächlich fällt auf, dass die Demoskopen vor der Landtagswahl beim Ergebnis der Linkspartei völlig daneben lagen. 15 und 16 Prozent waren vorhergesagt - statt der 21,3, die es am Ende wurden.

Absicht? Der Bonner Politik-Professor Gerd Langguth hat eine andere Erklärung. "Viele Wähler tun sich schwer, sich bei Umfragen zur Linkspartei zu bekennen. Sie steht teilweise immer noch in der Schmuddelecke." Das gleiche Phänomen sei von rechtsradikalen Parteien bekannt. Auch hier würden viele Befragte bei den Telefoninterviews der Institute eher eine "sozial erwünschte Antwort" geben. Also lieber SPD oder CDU sagen - und doch woanders ein Kreuz machen. Langguth: "Hier stößt die Umfrageforschung an Grenzen."

Insgesamt gilt: Der Wähler wird mehr und mehr zu einem unbekannten Wesen. Vor der Bundestagswahl am Sonntag ist der Faktor X so groß wie lange nicht. "Viele entscheiden sich erst auf dem Weg zur Wahlkabine", sagt der Münchner Politikwissenschaftler Werner Weidenfeld. Dies sieht er auch als Grund für Fehlprognosen. 2005 führte die Unsicherheit zu einem Debakel für die Forscher. Statt des erwarteten Siegs von Union und FDP stand am Ende eine große Koalition. Mit diesem "Last Minute Swing" (Umschwung in letzter Minute) der Wähler hatte keiner gerechnet. Die Ausgangslage ist diesmal kaum einfacher. "Wer die Unentschlossenen und die Wechselwähler gewinnt, gewinnt die Wahl", sagt Langguth. Union wie SPD hätten nur noch zehn Prozent Stammwähler.

Der Kampf um die richtigen Zahlen ist groß. Für die meisten Institute sind Wahlprognosen nur ein kleiner Bereich im Unternehmen - aber der mit dem größten Einfluss. Wenn sie sich hier vertun, vertrauen ihnen Kunden vielleicht nicht mehr. "Es ist ein hartes Geschäft", bestätigt der Geschäftsführer von Infratest dimap, Richard Hilmer. "Da gibt es keine Chance für irgendeinen Pfusch. Das würde sofort bemerkt und fürchterlich von der Realität bestraft werden."

Also haben die Institute ihre Methoden, Berechnungsformeln und Instrumente modifiziert, manche experimentieren mit Befragungen über das Internet. "Wir müssen uns den Wählern anpassen", sagt Hilmer. Doch die Methoden haben immer weniger Bestand, je mehr die Wähler zwischen den Parteien hin und her wandern, sich nicht entscheiden können oder auch gar nicht wählen.

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