Wahlkampf mit kleinen grünen Männlein

Stuttgart/Saarbrücken. Die Deutschlandkarte liegt vor einem ausgebreitet. Wütende grüne Smileys mit zusammengezogenen Augenbrauen halten Schilder hoch, auf denen "Dagegen" steht. Es geht quer durch die Republik. In Baden-Württemberg liegen elf Zeichen nach Art eines Parkverbotsschildes, in Hessen sieben, in Niedersachsen wimmelt es nur so davon

Stuttgart/Saarbrücken. Die Deutschlandkarte liegt vor einem ausgebreitet. Wütende grüne Smileys mit zusammengezogenen Augenbrauen halten Schilder hoch, auf denen "Dagegen" steht. Es geht quer durch die Republik. In Baden-Württemberg liegen elf Zeichen nach Art eines Parkverbotsschildes, in Hessen sieben, in Niedersachsen wimmelt es nur so davon. Die Schilder stehen für Infrastruktur-Projekte wie Autobahnen und Bundesstraßen, neue Bahntrassen, Kohlekraftwerke oder Hochspannungsleitungen, gegen die die Grünen aus Sicht der CDU mobilisieren. Natürlich haben auch das Milliarden-Bahnprojekt Stuttgart 21 und die Münchner Bewerbung für die Olympischen Spiele 2018 ihren Platz auf der Deutschlandkarte.

Mit ihrer neuen Internetseite www.die-dagegen-partei.de, auf der das alles zu sehen ist, zeigt die CDU eine neue Qualität in der Wahlauseinandersetzung. Die Seite solle "zur Information dienen sowie Landes- und Kreisverbände der CDU in ihren Wahlkämpfen unterstützen", meinte Generalsekretär Hermann Gröhe bei der Vorstellung der Online-Kampagne. Die Idee: CDU-Landesverbände melden der Parteizentrale grüne Dagegen-Themen aus ihrem jeweiligen Beritt. "Auch an Ihrem Ort sind die Grünen immer dagegen? Schreiben Sie uns!", fordert die CDU auf.

Aus dem Saarland hat das Konrad-Adenauer-Haus allerdings noch keine Post bekommen: Den eigenen Koalitionspartner anzuschwärzen, weil er etwa mit Blick auf den Kohlekraftwerkspark auf der Bremse steht - daran hat in der CDU naturgemäß niemand ein Interesse. Auch aus der CDU in Rheinland-Pfalz, die mit einer schwarz-grünen Koalition nach der Landtagswahl im März liebäugelt, sind eher versöhnliche Töne zu vernehmen: Man führe keinen Lagerwahlkampf, erklärte ein Sprecher gestern. Die neue Kampagne gegen die Grünen sei Sache der Bundespartei, die sie allerdings "aus gutem Grund und mit gutem Recht" angestoßen habe. Die Internetseite stellt die rheinland-pfälzischen Grünen nur wegen zweier angeblicher Sünden an den Pranger: weil sie die Moseltalbrücke und die Mittelrheinbrücke ablehnen.

Besonders aggressiv treibt es die bayerische CSU mit einem handwerklich simplen Video, das ein grünes Strichmännchen mit Steinschleuder zeigt. Im Hintergrund wird zur Melodie eines bekannten Kinderliedes gereimt: "Ein Männlein steht im Walde, ganz grün und dumm. Es hat vor lauter Protest eine Steinschleuder um. Grün sein und dagegen sein, mit Pflaster-, Schotter-, Ziegelstein. Ach, wie bin ich froh, doch kein Grüner zu sein."

Die Christdemokraten und Christsozialen munitionieren sich fürs Superwahljahr 2011. Nach innerparteilicher Kritik der Konservativen am Parteiprofil sollen die Stammwähler wieder stärker mobilisiert werden. Dass an den Angriffen letztlich eine schwarz-grüne Koalition, beispielsweise in Baden-Württemberg, scheitern könnte, glaubt der Parteienforscher Gerd Langguth nicht (siehe Interview rechts).

Vereinzelt gehen die Angriffe offenbar auch unter die Gürtellinie. So sehen sich die Südwest-Grünen viele Wochen schon durch das Gerücht gemobbt, wonach ihr Spitzenkandidat Winfried Kretschmann gesundheitlich angeschlagen sei und ein Regierungsamt womöglich nicht wahrnehmen könne. Sie verorten die Quelle in der CDU. Mit Namen und Datum belegen können die Grünen ihren Vorwurf der "üblen Nachrede" nicht. Kretschmann selbst sagt, er fühle sich "gesund und fit" und sei gerade erst zweieinhalb Stunden im Fitnessstudio gewesen. Die grünen Männlein nennt er eine "durchsichtige Kampagne". Die CDU könne offensichtlich nur noch mit Dagegen-Kampagnen Land gewinnen.

Auch wenn die Spitzen-Grünen gerne über das Niveau des CSU-Videos lästern: Ganz kalt lassen sie die Attacken der Union nicht. Das beweist die Partei auch mit ihrer Gegenoffensive: Im Internet listet sie unter dem Motto "Dagegen braucht's grün" seit Neuestem zahlreiche Punkte auf, bei denen sie das Attribut "Dagegen-Partei" nicht als Beschimpfung versteht: Atomkraft, "Lohndumping", "Schnüffelstaat" oder "Agrarfabriken und Gift im Essen". Und natürlich darf auch eine ausführliche Auflistung der Dinge nicht fehlen, bei denen sie "dafür" sind: Datenschutz, Bürgerversicherung, Integration, Mindestlöhne und und und. Außerdem, sagt der Stuttgarter Grünen-Vormann Kretschmann, könne man doch auch die CDU mit Fug und Recht eine "Dagegen-Partei" nennen, wenn sie etwa gegen die Präimplantationsdiagnostik votiere.

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