"Wagner hat die Festspiele mit jungen modernen Regisseuren auf internationales Niveau gebracht"

Herr Kronz, Wolfgang Wagner war als Patriarch auf dem grünen Hügel ebenso gefeiert wie umstritten. Welche Maßstäbe hat er tatsächlich gesetzt?Kronz: Sein großes Verdienst sehe ich vor allem darin, dass er es geschafft hat, mit jungen, modernen Regisseuren die Festspiele auf ein enormes internationales Niveau zu bringen

Herr Kronz, Wolfgang Wagner war als Patriarch auf dem grünen Hügel ebenso gefeiert wie umstritten. Welche Maßstäbe hat er tatsächlich gesetzt?

Kronz: Sein großes Verdienst sehe ich vor allem darin, dass er es geschafft hat, mit jungen, modernen Regisseuren die Festspiele auf ein enormes internationales Niveau zu bringen. Bestes Beispiel ist die "Ring"-Inszenierung von Pierre Boulez und Patrice Chéreau - der so genannte "Jahrhundert-Ring".

War Wolfgang Wagner in Ihren Augen eher Verwalter und Organisator, oder war er Künstler?

Kronz: Als sein Bruder Wieland noch lebte, war Wolfgang Wagner eher Verwaltungsmann. Das soll aber nicht heißen, dass er nicht auch eine enorme künstlerische Begabung hatte. In den letzten Jahren, in denen er noch selbst inszeniert hat, wurde er ja häufig angegriffen, weil er angeblich zu konventionell war. Dabei gab es viele, die seine Inszenierungen gern gesehen haben.

Woran ist Wolfgang Wagner ihrer Meinung nach gescheitert?

Kronz: Gescheitert ist er meiner Meinung nach überhaupt nicht. Er war in seinen alten Tagen vielleicht ein etwas starrköpfiger Herr, was dazu geführt hat, dass es eben die langen und wenig schönen Nachfolgestreitigkeiten gab. Er hätte sich vielleicht früher zurückziehen sollen.

Immer wieder war ja von Krächen und Brüchen im Hause Wagner die Rede. Warum war Wolfgang Wagner ein so streitbarer Mensch?

Kronz: Er war wahrscheinlich nicht streitbarer als die meisten Menschen. Aber viele Konflikte rührten auch daher, dass Wagners Kinder untereinander zerstritten waren und danach gestrebt haben, von ihm in Bayreuth eingebunden zu sein. Wolfgang Wagner aber wollte sich von niemandem unter Druck setzen lassen.

Wie ging Wolfgang Wagner mit dem politischen Erbe des Großvaters um, der ja erwiesenermaßen ein Antisemit war? Später waren die Wagners ja auch eng mit den Nazis verbandelt.

Kronz: Ich will einen gewissen Antisemitismus Richard Wagners nicht in Abrede stellen. Der Komponist Giacomo Meyerbeer zum Beispiel wurde von Wagner zunächst bejubelt und verherrlicht und später mit dem Hinweis, er sei Jude, völlig abgelehnt. Auf der anderen Seite hat der große jüdische Dirigent Hermann Levi bis zuletzt bei Richard Wagner dirigiert. Eine Neigung zum Nationalsozialismus, besonders zu Hitler, hatte sicherlich Wolfgang Wagners Mutter Winifred, die Bayreuth lange geleitet hat. Wolfgang Wagner und sein Bruder Wieland hatten es sich hingegen zur Aufgabe gemacht, Bayreuth von der Nähe zur nationalsozialistischen Ideologie zu befreien.

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