Wagenknecht stellt sich hinter Moskau

Berlin · Russland bekommt in der Krim-Krise prominente Unterstützung aus Deutschland. Linke-Politikerin Sahra Wagenknecht versteht die Haltung Moskaus. Die neue Regierung in Kiew bezeichnet sie als „illegitim“ und Hort für Neofaschisten.

Bislang ist die Linke kaum mit provokanten Äußerungen zum Konflikt in der Ukraine aufgefallen. Im Gegenteil. Erst vor ein paar Tagen hatten die Vorsitzenden Katja Kipping und Bernd Riexinger sowie Fraktionschef Gregor Gysi erklärt, dass es unbedingt eine diplomatische Lösung im Streit um die Halbinsel Krim brauche. "Die drohende Spaltung des Landes muss vermieden werden", lautete ihre Botschaft.

Doch Gysis Stellvertreterin, Sahra Wagenknecht, sieht das offenbar anders. Die Wortführerin des radikalen Parteiflügels erklärte gestern, dass sie es durchaus für "nachvollziehbar" halte, wenn die russische Bevölkerung der Krim "lieber an Russland angeschlossen" werden möchte. Falls es bei der für den kommenden Sonntag anberaumten Abstimmung eine "deutliche Mehrheit" dafür gebe, dann müsse dies der Westen "akzeptieren". Auch wenn sich das "formal" nicht mit der ukrainischen Verfassung vertrage, so Wagenknecht. Schließlich sei auch die Übergangsregierung in Kiew "illegitim" und obendrein von "Neofaschisten" durchsetzt, die gegen die russische Minderheit Front machten. Die Sorge Moskaus sei auch deshalb verständlich, weil man dort fürchte, dass die Ukraine Mitglied der Nato werden könne.

Zwar gehören der ukrainischen Regierung tatsächlich Vertreter zweier neofaschistischer Gruppierungen an. Allerdings gibt es bislang keinen Hinweis darauf, dass russische Bürger in der Ukraine um Leib und Leben fürchten. Eher müssen sich die Ukrainer auf der Krim von der russischen Militärpräsenz eingeschüchtert fühlen. Klar dürfte auch sein, dass eine Abspaltung der Krim die Ukraine erst recht in die Arme von EU und Nato treiben würde. Für Wagenknecht ist es gleichwohl "skandalös", dass Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) die neue Regierung in Kiew "hoffähig" gemacht und finanzielle Unterstützung versprochen habe.

Der Außenpolitik-Experte der Linken, Stefan Liebich, suchte die Ansichten Wagenknechts gestern zu relativieren. Die "Betonung" sei bei ihr "eine andere, als ich sie wählen würde", erklärte Liebich der SZ. Die Linksfraktion sei sich einig, dass es sich um ein verfassungswidriges Referendum handele. Die Kernfrage bestehe allerdings nicht darin, ob die ukrainische Regierung legitim sei. Viel problematischer sei, dass keine Vertreter der russischen Minderheit an ihr beteiligt wurden, obwohl dies ein Abkommen mit der EU vorgesehen habe, meinte Liebich. Deutlich schärfere Worte für Wagenknecht fand der grüne Fraktionsvize Frithjof Schmidt: "Dass sie die Zerstörung der territorialen Integrität der Ukraine und den Völkerrechtsbruch beschönigt, ist skandalös."

Heute will Kanzlerin Angela Merkel (CDU) im Bundestag eine Regierungserklärung zur Ukraine abgeben. Bei der Debatte wird Gregor Gysi für die Linke sprechen. Man darf gespannt sein, wie seine "Betonung" ausfällt. Kremlchef Wladimir Putin isoliert sich mit seiner starren Haltung im Krim-Konflikt zunehmend auf der internationalen Bühne. Die sieben führenden Industrienationen G-7 drohten gestern mit Sanktionen, "sowohl einzeln als auch gemeinsam", falls Russland die Souveränität der Ukraine nicht achte. "Jede weitere Verschlechterung der Situation könnte zu weitreichenden Konsequenzen führen", sagte EU-Kommissionschef José Manuel Barroso. Soll heißen: Einen Tag nach dem Referendum über die Unabhängigkeit der Krim, also am Montag, werden die EU-Außenminister die zweite Stufe der vergangene Woche beschlossenen Strafmaßnahmen umsetzen. Als ersten Schritt hatte die EU bereits die Verhandlungen mit Moskau über Visa-Erleichterungen für Russen ausgesetzt. Auch über ein neues Partnerschaftsabkommen wird vorerst nicht weiterverhandelt.

Wenn es zu der vom Westen angeregten Kontaktgruppe komme, seien Sanktionen "unabdingbar", sagte Kanzlerin Angela Merkel gestern. In den Gesprächen der vergangenen Tage mit Russland habe es keine Fortschritte gegeben. "Ich glaube, dass wir einen sehr langen Atem brauchen." Deutschland löse seine Konflikte nicht militärisch, gehe ihnen aber auch nicht aus dem Weg.

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