Wächter, die niemals lächeln

Washington. Sie sind die Wächter, die niemals lächeln. Sie formen einen mehrschichtigen Sicherheits-Ring um den Mann, der den Codenamen "Renegade" (Außenseiter, Rebell) trägt. Sie agieren wie menschliche Überwachungskameras, die unermüdlich die Umgebung sondieren. Und sie handeln nach der Devise: Wir müssen eine Erfolgsquote von 100 Prozent erreichen. Jeden Tag. Ohne Ausnahme

 Mitarbeiter des Secret Service überwachen die Landung der Präsidentenmaschine "Air Force One". Foto: dpa

Mitarbeiter des Secret Service überwachen die Landung der Präsidentenmaschine "Air Force One". Foto: dpa

Washington. Sie sind die Wächter, die niemals lächeln. Sie formen einen mehrschichtigen Sicherheits-Ring um den Mann, der den Codenamen "Renegade" (Außenseiter, Rebell) trägt. Sie agieren wie menschliche Überwachungskameras, die unermüdlich die Umgebung sondieren. Und sie handeln nach der Devise: Wir müssen eine Erfolgsquote von 100 Prozent erreichen. Jeden Tag. Ohne Ausnahme. Pannen können sich die Männer und Frauen des Secret Service, die Barack Obama und die Präsidentenfamilie bewachen, nicht leisten. Ein einziger Fehler kann den Tod des Schützlings bedeuten - insbesonders zu einem Zeitpunkt, wo die Drohungen gegen den ersten farbigen Präsidenten der USA dramatisch zugenommen haben und wo auch die Terrorgruppe Al Qaida nach jüngsten Geheimdienst-Erkenntnissen bald wieder in den USA zuschlagen will.

Trauma des Versagens

Seit dem Attentat auf John F. Kennedy im November 1963 tragen die Secret Service-Beamten täglich das Trauma des Versagens mit zur Arbeit. Damals, im Herzen von Dallas, gab es mehrere Kardinalfehler. Der Ermordete fuhr in einem Cabrio, das ihn verwundbar machte. Agenten, die sonst die offene Limousine umrundeten, waren weggerufen worden, damit die Menschen ihn besser sehen konnten. Doch auch der Schütze Lee Harvey Oswald sah Kennedy besser im Fadenkreuz. Aus den Fehlern hat man schnell gelernt. Heute fährt der Präsident im "Beast", dem ultimativen stählernen Schutz-Cadillac: Perfekt auch gegen Bioattacken versiegelt, im Kofferraum Sauerstoff-Flaschen und Beutel mit dem Blut des Präsidenten. Dazu Nachtsichtgeräte, Schießscharten und Reifen, denen nie die Luft herausgeht. Und taktische Finessen, die potenzielle Attentäter verwirren sollen.

Jeder Präsidentenkonvoi besteht aus 25 bis 30 Fahrzeugen, ein mobiles Kommunikationszentrum und ein zweites identisches "Beast" inklusive. Doch sobald "Renegade" den Wagen verlässt, wird er verwundbar. Bei seiner Amtseinführung trug Obama einen maßgeschneiderten schussfesten Anzug. Anders als Ronald Reagan, dem nach dem Attentat unter dem Sakko eine schwere Panzerweste verordnet wurde. Dies lehnte er oft ab: "Ich will doch nicht fett wirken." Doch für den Kopf gibt es einen solchen Schutz nicht. Auch deshalb steht der Secret Service unter massivem Druck, in Sekunden die richtige Entscheidung zu treffen. Die Agenten sind nie weiter als eine Armlänge entfernt, um den Präsidenten auf den Boden reißen zu können. Simulierte Attentate werden ständig trainiert. Mehrere Beamte schützen ihn mit ihren Leibern und versuchen, die Gefahrenzone zu verlassen. Drängen ihn zurück ins Auto, während andere der Gefahr entgegentreten. "Die Kugel für den Präsidenten nehmen", diese Devise bewahrheitete sich beim Anschlag auf Ronald Reagan. Agent Timothy McCarthy traf ein Bauchschuss, als er sich vor seinen Schützling warf. Beide überlebten. Beim Reagan-Attentat ließ sich auf Fotos erkennen, wo manchmal die Waffen der Agenten getragen werden: In einem Aktenkoffer lag eine Uzi-Maschinenpistole. Doch die Uzi wird ungern zur Verteidigung eingesetzt, da sie stark streut und Umstehende gefährden kann. Heute ist die Sig Sauer P 229, eine automatische Pistole aus deutscher Produktion, die bevorzugte Waffe der Präsidentenschützer.

Gefahren in der Luft

Gefahren drohen auch in der Luft. Der "Marine One"-Helikopter gilt als besonders gefährdet. "Ein Treffer reicht für eine Tragödie", heißt es unter den Personenschützern. Deshalb fliegt der Präsidenten-Hubschrauber fast immer in einer Gruppe von drei bis fünf identischen Maschinen. Und "Air Force One", eine sechs Stockwerke hohe Boeing 747, kann unbegrenzt in der Luft bleiben - dank einer Auftank-Option. An Bord: Ein Operationsraum und geheime Konter-Maßnahmen gegen Terrorattacken durch hitzesuchende Raketen.

Während der Attacken des 11. September hatte der Secret Service die Befehlsgewalt über den Aufenthaltsort des Präsidenten. George W. Bush war damals neun Stunden in der Luft, teilweise im Zickzack unterwegs. Er konnte aber nicht vom Jet aus an das Volk reden, heute ist das möglich. "Die Kühnheit dieser Attacke hat alles verändert", so ein Regierungsmitarbeiter. Über viele der ausgeklügelten Schutzmaßnahmen für das Weiße Haus und seine 132 Zimmer wird nur ungern geredet. In den meisten Räumen sind "Panik-Knöpfe" in Statuen oder Schubladen versteckt, mit denen Mitglieder der First Family Agenten alarmieren können. Bei Schüssen auf das Gebäude kann in Sekunden der genaue Standort des Täters durch den "Bumerang" geortet werden - ein System, das das Schussgeräusch und Schockwellen der Kugel analysiert. Es unterscheidet zwischen Auto-Fehlzündung, einem Feuerwerkskörper oder einem Schuss.

Umso peinlicher mutet angesichts dieses Hightech-Schutzes die jüngste Dinner-Affäre an, als einem nicht geladenen Ehepaar das Vordringen bis zum Präsidenten gelang. Die verantworlichen Agenten wurden zur Schreibtischarbeit strafversetzt. Denn sie hatten gegen die wichtigste Doktrin des Secret Service verstoßen: Selbst der kleinste Fehler kann mit einer Katastrophe enden.

Hintergrund

Attentate auf Präsidenten: 14. April 1865: Abraham Lincoln wird bei einem Theaterbesuch angeschossen und stirbt am nächsten Tag.

2. Juli 1881: Schüsse auf James Garfield in Washington, er stirbt elf Wochen später.

6. September 1901: William McKinley wird bei einer Ausstellung angeschossen, überlebt acht Tage.

22. November 1963: John F. Kennedy stirbt in Dallas, über Hintermänner des Anschlags wird bis heute spekuliert.

1. November 1950: Zwei Attentäter scheitern beim Versuch, zu Präsident Harry Truman ins Weiße Haus vorzudringen.

5. und 22. September 1975: Zwei Frauen versuchen, auf Gerald Ford zu schießen. Das erste Mal versagt die Pistole, 14 Tage später verfehlt eine zweite Täterin das Ziel.

30. März 1981: Ronald Reagan wird beim Verlassen eines Hotels durch einen Lungenschuss schwer verletzt.

 Mitarbeiter des Secret Service überwachen die Landung der Präsidentenmaschine "Air Force One". Foto: dpa

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12. September 1994: Ein Pilot fliegt seine Cessna auf den Rasen des Weißen Hauses. Er wollte Bill Clinton töten - doch der war nicht zuhause. die

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