Vorm Buga-Start hält sich der Stress in Grenzen

In den Absperrgittern, die neben dem Fußweg zum düsteren Monument von Kaiser Wilhelm I. hoch zu Ross am Deutschen Eck in Koblenz stehen, hängen im strahlenden Sonnenschein Reste der vom Januar-Hochwasser abgerissenen Uferpflanzen

 Im Beet: Norbert Katter (l.) und Thomas Dannemann. Foto: Frey

Im Beet: Norbert Katter (l.) und Thomas Dannemann. Foto: Frey

In den Absperrgittern, die neben dem Fußweg zum düsteren Monument von Kaiser Wilhelm I. hoch zu Ross am Deutschen Eck in Koblenz stehen, hängen im strahlenden Sonnenschein Reste der vom Januar-Hochwasser abgerissenen Uferpflanzen. Schüler im Teenager-Alter schlendern vorbei Richtung Wilhelm, mit Stöpseln im Ohr, Smartphone in der Hand, die anspornenden Rufe der Lehrerin zur Eile verhallen wirkungslos.Auf der anderen Seite des Weges arbeiten die Gärtner der Bundesgartenschau, die nächsten Freitag von Bundespräsident Christian Wulff eröffnet wird. "Das Hochwasser hat uns nichts ausgemacht. Wir haben Sandsackbarrieren gebaut, so dass das Wasser nicht in den Blumenhof lief", sagt Norbert Katter, ein gebräunter 51-Jähriger mit grauem Bürstenhaar, auf dessen grünem Sweat-Shirt der Name seines Arbeitgebers, des Koblenzer Grünanlagenbauers Nuppeney steht. Katter und sein Kollege Thomas Dannemann, 35, bepflanzen den Blumenhof im Schatten der romanischen Kastor-Basilika mit bunten Frühlingsblühern. Stress so kurz vor der Eröffnung? "Nein, wir müssen zwar auch samstags noch mal ran, aber wir sind voll im Plan", sagt Dannemann auf einen Spaten gestützt. Seit drei Jahren haben die Gärtner auf dem Buga-Gelände zu tun, ihr Arbeitgeber hat vier neue Leute eingestellt. "Die Wirtschaft der Region profitiert immens", betont Buga-Marketing-Managerin Ramona Soppa, 26, die rote Jacke - Aufschrift: "2011 ist unser Sommer" - locker umgehängt. 102 Millionen Euro Buga-Kosten, die vom Land Rheinland-Pfalz und der Stadt Koblenz zum größten Teil gestemmt werden, würden Investitionen von 500 Millionen Euro auslösen, sagt Soppa voraus.

Nah am Wasser von Rhein und Mosel leuchten himmelblau Stiefmütterchen-Beete, die zwar laut den Buga-Machern das Thema "Leben am Fluss" symbolisieren sollen, aber mit den grauen Strömen ein paar Meter weiter nichts gemein haben. Das Hochwasser wird am Standort "Deutsches Eck" offensiv in Szene gesetzt. Vor einem grau gestrichenen Pavillon stecken gelb-schwarze Latten im Kies: Pegelmess-Stäbe, auf die im Januar noch sorgenvoll geblickt wurde. An der Außenwand des Pavillons schlängelt sich in Kniehöhe eine Wellenlinie. Was sie anzeigt? Wer den Kopf dreht, liest die Antwort, die auf dem Kopf steht: "So hoch stand das Hochwasser am 10. Januar 2011." Durch die ungeputzte Glastür sieht man schlammgraue Möbel, Boden und Wände: ein Stillleben wie von Morandi. Doch diese Erinnerung an den Schlamm von gestern wird die zwei Millionen erhofften Besucher nicht mehr frösteln lassen.

Eine Gänsehaut ist dagegen bei der Fahrt in den Glaskabinen der von der österreichischen Firma Doppelmayr gebauten Seilbahn vom Rheinufer hinauf zum Plateau der preußischen Festung Ehrenbreitstein garantiert. Sanft schwebend sehen die Besucher, wie die Wasser von Rhein und Mosel sich unter ihnen vereinigen, der Kaiser auf Ameisengröße schrumpft und sich im Dunst der Stromebene ein Kühlturm erhebt - das Atomkraftwerk Mülheim-Kärlich, 1988 stillgelegt, grüßt.

"Die Nummer 17 ist unser Geheimtipp", hat der Seilbahn-Aufpasser geraten. Und er hat Recht: Durch den Glasboden der Kabine Nummer 17 geht der Blick direkt auf die Decks der Frachter, die im Minutentakt vorbeiziehen. Die US-Army hat acht saharafarbene Doppelrotor-Helikopter auf einem Schubverband verzurrt, der gen Süden tuckert. Nachschub für den Afrika-Einsatz?

Oben auf dem Plateau steht Sabine Schnupp in einem von übermannshohen Efeuhecken umgrenzten Areal. "Wir bringen hier als einzige Farbe hin", sagt die Inhaberin der Spezial-Firma für Wegemarkierungen lachend. Sie rollt leuchtend rote Farbe auf dem Weg aus, der die Besucher zur Ausstellung einer Gärtner-Fachschule führen soll.

Über den Rand des Plateaus, an dessen der Festung gegenüberliegendem Ende sich Parkplätze und Haupteingang der Buga befinden, kragt der Holzbau des Landesforstbetriebs - die Spitze hängt über dem Steilabhang zum Rhein. Ein atemberaubender Ausblick auf die 106 000-Einwohner-Stadt auch von hier, zumal Geländer und Brüstungen noch fehlen. "Ja, die Zimmerleute haben wohl noch zu tun", sagt Schreiner Luca Schenk, 21, der die Ausstellungskästen des Landesforsts anbringt. Ein Dutzend weiterer Männer arbeitet am luftigen Holzbau, kaum vorstellbar, dass sie es bis zur Eröffnung noch schaffen. "Kein Thema", brummt ein Zimmermann, der konzentriert mit seiner roten Hilti-Bohrmaschine arbeitet, ohne den Kopf zu wenden.

Vier Spielplätze und eine Skateranlage bietet die Buga den Familien, die neben der älteren Stammkundschaft zur neuen Zielgruppe zählen. Für diese Familien, die die vereinsmeiernde Schrebergartenbewegung in Deutschland derzeit umkrempeln, hat die Buga in Koblenz kein spezifisches Anschauungsmaterial. "Kein Platz für Lauben", sagt Ramona Soppa und schüttelt den Kopf. Das Buga-Gelände ist mit 40 Hektar überschaubar geraten.

"Wir haben schon hunderte Eidechsen hier gesehen", sagt Florian Bäcker, 23, der angeseilt die Wiesen auf den Dächern der Festung stutzt. Hoch über der Buga-Hauptbühne, deren weißes Sonnendach schon steht, unter dem bis zu 1000 Zuschauer Platz finden werden. Die nach dem Sieg über Napoleon erbaute Festung ist ein Kinderparadies: Ein Gewirr von Gängen zwischen meterdicken Mauern, in denen die Regionen von Rheinland-Pfalz ihre Zelte aufgeschlagen haben, um ihre Schönheit zu preisen. "Wer diese Bastion erdacht hat, ist entweder genial oder verrückt gewesen. Es gibt so viele Gänge", sagt Landschaftsarchitekt Hartmut Raible, der den Themengarten "Klöster" mit Bambus bestückt. In einem der Gänge steht eine zwei Meter hohe und zwölf Meter lange Holzkiste. "Da ist die Kanone Greif drin", sagt ein vorbeigehender Arbeiter, der mit staubiger Hand auf die Kiste weist. Das eiserne Monstrum ist seit 200 Jahren zwischen Deutschland und Frankreich hin- und hergezerrt worden. Jetzt soll es ein Buga-Knaller werden.

Ob die "Olympiade der Gärtner", wie die Buga sich sportlich beschreibt, die erhofften Massen anlockt, entscheidet auch der Wettergott. Einen Wermutstropfen gibt es schon für Oberbürgermeister Joachim Hofmann-Göttig. Ein Buga-Mitarbeiter flachst, dass "der OB am Tag drei Liter Coca Cola Light trinkt und sauer ist, wenn bei den Pressekonferenzen keine kredenzt wird". Doch jetzt muss Hofmann-Göttig sich fühlen wie der Coca-Cola-Chef James Cagney in Billy Wilders legendärer Film-Komödie "Eins, zwei, drei", als bei seinem Rückflug in die USA am Flughafen Tempelhof eine Pepsi aus dem Coca-Cola-Automaten ploppte: Das beste Angebot fürs Getränke-Catering auf der Buga legte Pepsi auf den Tisch, deren Flaggen vor den Biergärten wehen. Hofmann-Göttig hat bis zum 16. Oktober Zeit, sich an den Geschmack der anderen Brause zu gewöhnen - dann schließt die Buga, die Koblenz verwandelt.

Hintergrund

Eröffnung der Buga am Freitag, 15. April, 9 Uhr. Ende der Buga ist am 16. Oktober 2011. Eintrittspreise: Erwachsene: 20 Euro, Kinder bis fünf Jahre frei, von sechs bis 14 Jahre fünf Euro. Parkplatzgebühr pro Tag fünf Euro. Eintrittspreis in Drei-Tages-Freizeitcard Rheinland-Pfalz/Saarland enthalten. DB-Regio hat ein Buga-Kombiticket. Telefon: (0261) 201 65 65 65. www.buga2011.de. red

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