Vorläufiges Ende eines Albtraums

Diesmal gerät der Weg durch das Spalier aus Reportern aus aller Welt für DSK nicht zum Spießroutenlauf. Stattdessen huscht über sein Gesicht ein befreites Lächeln, während seine Hand zärtlich auf der Schulter von Ehefrau Anne Sinclair ruht

Diesmal gerät der Weg durch das Spalier aus Reportern aus aller Welt für DSK nicht zum Spießroutenlauf. Stattdessen huscht über sein Gesicht ein befreites Lächeln, während seine Hand zärtlich auf der Schulter von Ehefrau Anne Sinclair ruht. Die wenigen Schritte vom Verfassungsgericht zu dem bereitstehenden Geländewagen dürften sich für den zuletzt schwer gedemütigten Strauss-Kahn wie ein Triumph-Marsch angefühlt haben. In jedem Fall markieren sie das vorübergehende Ende eines Albtraums, der den Franzosen bereits das Amt als IWF-Direktors kostete.Nach nicht einmal zehn Minuten hob das New Yorker Verfassungsgericht bei einem kurzfristig angesetzten Gerichtstermin den Hausarrest auf und verfügte die Rückgabe der Kaution. Statt bis zu 25 Jahren Gefängnis steht Strauss-Kahn nun kurz vor der Einstellung des Verfahrens. Da es noch nicht soweit ist, bleibt der Reisepass des Franzosen in Gewahrsam der Staatsanwaltschaft. Innerhalb des Staates New York kann sich Strauss-Kahn nun aber als freier Mann bewegen.

Die Staatsanwaltschaft selbst lieferte der Verteidigung die Steilvorlage für die spektakuläre Wende. Im amerikanischen Strafrecht darf der Ankläger nicht nur belastendes Material vortragen, sondern muss die Verteidigung auch über entlastende Erkenntnisse informieren. Genau das passierte bei einem vertraulichen Treffen zwischen dem Team um Chef-Ankläger Cyrus R. Vance und Star-Anwalt Benjamin Brafman am Donnerstag.

Demnach kamen den Ermittlern im Zuge ihrer Recherchen immer mehr Zweifel an der Glaubwürdigkeit des angeblichen Opfers, einer 32-jährigen Hotelangestellten des Sofitels am Times Square. Die Afrikanerin hatte behauptet, Strauss-Kahn sei nackt aus dem Badezimmer gekommen und habe versucht, sie zu vergewaltigen. Die Ermittler sicherten vor Ort weitere Indizen. Eine zerrissene Strumpfhose und Sperma von Strauss-Kahn an der Kleidung der Frau. Vance präsentierte die Frau als Musterbeispiel einer glaubwürdigen Zeugin, die das angebliche Verbrechen zeitnah der Polizei gemeldet habe. Nun geben sich die Ankläger kleinlaut. "Sie hat regelrecht gelogen", heißt es. Und das gleich in mehreren Punkten. Die Frau hatte behauptet, sie habe vor Jahren in den USA unter anderen auch deshalb Asyl erhalten, weil sie in ihrer afrikanischen Heimat vergewaltigt und sexuell verstümmelt worden sei. Tatsächlich findet beides keine Erwähnung in dem Asylantrag.

Falsche Aussagen machte die Frau offenbar auch über ihr Verhältnis zu einem Mann, der wegen Drogenhandels und Geldwäsche in einem New Yorker Gefängnis sitzt. Dieser und andere Mitglieder eines Kriminellen-Rings überwiesen in den vergangenen beiden Jahren mehr als 100 000 US-Dollar auf Konten des Zimmermädchens. Die Einzahlungen stammten aus Arizona, Georgia, New York und Pennsylvania. Aus dem Geld beglich die Frau jeden Monat hunderte Dollar Telefonkosten an fünf verschiedene Unternehmen.

Gegenüber der Staatsanwaltschaft bestand sie darauf, weder etwas von den Einzahlungen zu wissen noch mehr als ein Telefon zu besitzen. Am Tag nach dem angeblichen Vorfalls in der Hotel-Suite des IWF-Direktors telefonierte die Frau mit dem eingesperrten Drogenhändler. Aus dem Mitschnitt des Gesprächs geht hervor, dass sie mit dem Mann überlegte, welche Vorteile sie aus der Situation ziehen könnte. Kenneth P. Thompson, der die Hotelangestellte als Anwalt vertritt, versucht die Erkenntnisse herunterzuspielen. "Nichts hat die wichtige Tatsache verändert, dass Dominique Strauss-Kahn das Opfer gewalttätig sexuell angegriffen hat." Thompson weiß so gut wie jeder andere Jurist in den USA, dass der Fall seiner Mandantin nun auf tönernen Füßen steht. "In Sexual-Strafverfahren hängt alles an der Glaubwürdigkeit der Zeugen", erläutert die Rechtsexpertin Holly Hughes im US-Fernsehsender CNN. DNA-Beweise reichten nicht aus, eine Straftat zu etablieren. Schließlich könnte die sexuelle Begegnung eine freiwillige gewesen sein.

Für Chef-Ankläger Vance dürften die jüngsten Entwicklungen nun jedenfalls mehr als peinlich sein.

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