"Von wegen Geisterstadt"

New York. Erstmals seit mehr als 50 Jahren hat die älteste katholische Kirche New Yorks in diesem Jahr wieder Erstkommunion gefeiert. "Diese Gegend zieht viele Familien mit kleinen Kindern an", freut sich Pfarrer Kevin Madigan (65). Die Größe seiner Gemeinde hat sich seit 2001 mehr als verdoppelt

New York. Erstmals seit mehr als 50 Jahren hat die älteste katholische Kirche New Yorks in diesem Jahr wieder Erstkommunion gefeiert. "Diese Gegend zieht viele Familien mit kleinen Kindern an", freut sich Pfarrer Kevin Madigan (65). Die Größe seiner Gemeinde hat sich seit 2001 mehr als verdoppelt. Ein Abbild der Entwicklung des Viertels um Ground Zero, in der vor dem Terror 20 000 Menschen lebten. Heute sind es 60 000. "Von wegen Geisterstadt", sagt Madigan.Als erstes kehrten die Restaurants und Kneipen, das Wettbüro und der Stripclub zurück. Dann die Tante-Emma-Läden, Kaufhäuser und Hotels. Zuletzt Investoren, die alte Fabrikgebäude in attraktive Lofts verwandelten. Pünktlich zum Jahrestag erstrahlt auch die 1836 im griechisch-klassizistischen Stil errichtete Kirche in neuem Glanz. Nichts mehr erinnert an den Schaden, den das Fahrwerk der American-Airlines-Maschine ins Dach riss, die um 8.45 Uhr wie eine Rakete in den Nordturm des World Trade Centers einschlug. Oder an die Toten und Verletzten, die Rettungshelfer am 11. September in das Gotteshaus brachten, das nur einen Steinwurf von Ground Zero entfernt steht. Darunter das "Opfer 0001", der schon zu Lebzeiten verehrte Feuerwehr-Kaplan Mychal Judge.

Pfarrer Madigan spricht nur selten über seine persönlichen Erinnerungen. Auf sanftes Drängen erzählt er, wie ein Rad der explodierten United-Airlines-Maschine über seinen Kopf schoss, das kurz nach neun Uhr im Südturm einschlug. Von dem unheimlichen Grollen, bevor der erste Zwillingsturm implodierte. Oder der Menschenkette, in die er sich einreihte, um einen Weg durch die Staubwolke zu finden.

Oft dagegen reflektiert er über Ursachen und Folgen des 11. September. "Schreckliche und noch schlimmere Dinge passieren auch anderswo", meint der Priester. "In diesem Fall hat es vor Millionen Augenzeugen das Zentrum der Welt getroffen." An Ground Zero kamen Menschen aus 84 Nationen ums Leben. Millionäre und illegale Gastarbeiter, Angehörige aller Religionen und Ethnien. "Ein wahrhaft universales Ereignis." Umso weniger versteht er die Aufregung um das "Park51"-Projekt, gleich um die Ecke von St. Peter. Pfarrer Madigan unterstützt ausdrücklich das islamische Nachbarschaftszentrum, das Gegner als "Sieges-Moschee" denunzierten. "Die muslimische Gemeinde soll hier bauen, weil sie das Gegenteil von dem repräsentiert, wofür die Terroristen stehen." Eine Minderheit unter Kollektiv-Verdacht zu stellen, geht gegen die tiefsten Überzeugungen des Gottesmanns. Zumal die Katholiken, die 1806 hierher kamen, sich damals ähnlichen Ressentiments ausgesetzt sahen.

"Wissen Sie, was interessant ist", kehrt Madigan noch einmal zum 11. September 2001 zurück, als viele im Angesicht ihres Todes Nachrichten auf den Anrufbeantwortern ihrer Lieben hinterließen. "Nicht ein einziger hat bei seinem Abschiedsanruf Rache gefordert." Für den Pfarrer von St. Peter bleibt dies die Botschaft von Ground Zero: "Dass die Liebe am Ende über den Hass siegt." So gesehen steht die boomende Gegend heute als Symbol für den Triumph des Lebens über Tod und Zerstörung vor zehn Jahren.

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