„Von vielen Kommunen hören wir bereits Klagen“

CSU-Europaabgeordneter Markus Ferber verteidigt die Forderung seiner Partei, Maßnahmen gegen den Sozialmissbrauch durch Armutsflüchtlinge aus Bulgarien und Rumänien zu ergreifen. SZ-Mitarbeiter Ralf Müller sprach mit ihm.

Herr Ferber, warum sorgt sich die CSU gerade jetzt um die Armutszuwanderung? Hätte man das nicht bei den Koalitionsverhandlungen thematisieren müssen?

Ferber: Die CSU-Europaabgeordneten haben im Europäischen Parlament gegen die Aufnahme von Bulgarien und Rumänien in die EU gestimmt, weil uns bekannt war, dass es zu erheblichen Problemen kommen wird. Damals wurde eine siebenjährige Übergangsregelung für die Arbeitnehmerfreizügigkeit vereinbart, die am 31. Dezember 2013 ausgelaufen ist. Weil wir von vielen Kommunen bereits Klagen hören, ist unsere Sorge, dass der Zuwanderungsdruck aus diesen Ländern zunehmen wird, ohne dass eine Beschäftigung aufgenommen wird. Zudem haben wir in Deutschland eine unterschiedliche Rechtsprechung. Deshalb ist es Aufgabe der Politik, für Rechtssicherheit zu sorgen. In den Koalitionsvertrag sind diese Dinge selbstverständlich aufgenommen.

Hätte man da nicht schon viel früher gegensteuern müssen?

Ferber: Wir haben jetzt ganz konkret von kommunalen Spitzenverbänden, zum Beispiel vom Städte- und Gemeindebund, Forderungen nach Mitteln aus dem europäischen Haushalt für Unterbringung und Sozialleistungen für EU-Bürger insbesondere aus Rumänien und Bulgarien. Ich halte es aber für falsch, dass dies aus dem EU-Haushalt bezahlt wird. Das ist Aufgabe der Mitgliedstaaten. Wenn es aber ein Problem gibt, dann geht es nicht darum, Mittel bereitzustellen, sondern die Rechtslage zu verbessern, um das Problem gar nicht entstehen zu lassen.

Was sagen denn Ihre Abgeordnetenkollegen aus Bulgarien und Rumänien dazu?

Ferber: Es gilt die einheitliche EU-Regelung, wonach jeder EU-Bürger in ein anderes EU-Land für 90 Tage gehen darf, um eine Beschäftigung zu finden. Eine Reihe von EU-Ländern weist die EU-Bürger anderer Länder konsequent nach 90 Tagen wieder aus, wenn sie keine Arbeit gefunden haben. Das in Deutschland einzuführen, ist also nichts Besonderes, sondern gute Praxis in vielen anderen Mitgliedstaaten der EU. Dass die Bulgaren und Rumänen im Europaparlament nicht ganz glücklich sind, können Sie sich vorstellen. Aber sie wissen auch sehr genau, welche Probleme sie uns bereiten. Wenn man außerhalb der Sitzungen mit den Kollegen aus diesen Ländern redet, bekommt man viel Zustimmung für unsere Position.

Im Falle von Polen, Tschechien, Ungarn gab es diese Probleme nicht. Was ist im Falle von Bulgarien und Rumänien anders?

Ferber: Bei den Osteuropäern, die 2004 Mitglied der EU wurden, haben eine Vielzahl von Ländern keinen Gebrauch von der siebenjährigen Übergangsregelung gemacht. Nur Deutschland und Österreich haben die sieben Jahre voll ausgeschöpft. Deshalb haben viele Polen zum Beispiel in Großbritannien und den Niederlanden Arbeit gefunden und der Druck auf Deutschland war nicht so groß. Im Falle von Bulgarien und Rumänien haben alle EU-Mitgliedstaaten die siebenjährige Übergangsfrist voll ausgeschöpft. Deshalb entsteht auf Deutschland ein besonderer Druck, weil wir derzeit den attraktivsten Arbeitsmarkt in der EU zu bieten haben.

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