Von Rennern und Pennern in der Mensa

Saarbrücken · 70 Kilo Karottensalat, Pudding aus dem Zapfhahn, 240 verschiedene Gerichte in sechs Wochen und jeden Tag ein Vegetarier-Tag – ein Besuch in einer der größten Küchen des Saarlandes, der Mensa an der Uni.

 Klotzen statt kleckern: Der Karamellpudding fürs Dessert wird aus dem Eimer in eine Einspritzanlage gefüllt. Fotos: Rich Serra

Klotzen statt kleckern: Der Karamellpudding fürs Dessert wird aus dem Eimer in eine Einspritzanlage gefüllt. Fotos: Rich Serra

Der Salat bekommt das volle Schleuderprogramm. Gerade tanzten die grünen und lilafarbenen Blätter noch hinter einer runden Scheibe gemächlich im Wasser. Dann gurgelt es kräftig, und der Lollo Rosso macht plötzlich ordentlich Umdrehungen. Frisch gewaschen kommt er kurz darauf aus der Maschine. Eine ganze Wanne voll Salat. Der zarte Geruch wird durch die kräftigeren Aromen von Schnittlauch, Dill, Zwiebeln und Chili-Schoten verdrängt. Kistenweise Gemüse stehen bereit. Ein Dutzend Hände verarbeiten Gurken, Karotten, Tomaten und Co. zu hunderten kleinen Vitaminbomben.

Es ist gerade 8 Uhr durch. Unter einer grauen Wolkendecke kommt der neue Tag nur schwer in die Gänge. Der Gedanke ans Mittagessen - er scheint noch völlig abwegig. Doch in der Mensa der Universität in Saarbrücken ist er schon allgegenwärtig. Seit mehr als einer Stunde laufen die Vorbereitungen. Ab 11.30 Uhr ist Essenszeit, dann wollen rund 2000 hungrige Mägen gefüllt werden. Und das ist ein ruhiger Tag, denn noch sind Semesterferien. Da kommen deutlich weniger Studenten und Uni-Mitarbeiter. "Während der Vorlesungszeit gehen täglich zwischen 4000 und 5000 Essen raus", sagt Mensaleiter Reinhard Kunz.

Die meisten Zutaten dafür werden täglich frisch angeliefert, teilweise schon mitten in der Nacht. Zehn bis zwölf Lieferanten bringen ihre Waren. Gerade fährt der Metzger seinen Wagen rückwärts an die Laderampe heran. Sechs Plastikkisten voll Fleischkäse und Schweine-Steaks hat er dabei. Beides steht heute auf dem Speiseplan. Armin Siegrist von der Lagerverwaltung kontrolliert den Lieferschein, wiegt die Ware und überzeugt sich von der Qualität. "Alles okay", sagt er und tippt den Posten in den Computer ein.

Ein Warenwirtschaftsprogramm ist gewissermaßen das Herzstück des Mensa-Betriebs. "Ohne ist es heutzutage gar nicht mehr möglich, so eine große Küche am Laufen zu halten", sagt Mensaleiter Kunz. Sämtliche Rezepturen sind darin gespeichert. Mit ein paar Knopfdrücken kann der Küchenchef die Zutaten für den Speiseplan eines gesamten Tages bestellen. Rund 240 verschiedene Gerichte führt das System, das reicht für sechs Wochen. Dann geht es von vorne los. Doch Kunz überprüft den Speiseplan jeden Monat. "Was war ein Renner, was war ein Penner?" - das ist die große Frage. Was bei den Gästen nicht gut ankommt, fliegt raus.

Seit Anfang des Jahres muss die Mensa mit deutlich weniger Geld vom Land auskommen. Die große Koalition hat den Zuschuss für das Studentenwerk, das die Mensa betreibt, um eine Million Euro gekürzt. Die Preise wurden deshalb zum 1. Januar 2013 um 30 Cent pro Essen angehoben. Das Komplettmenü mit Salat, Suppe und Dessert kostet jetzt 2,60 Euro, das vegetarische Menü 2,10 Euro. "Das ist immer noch relativ günstig", findet Kunz. Deshalb glaubt er nicht, dass der Rückgang bei den verkauften Essen um etwa fünf Prozent in den vergangenen Monaten auf den Preis zurückgeht. "Da es immer mehr Studenten gibt, wurden die Vorlesungszeiten geändert. Sie wurden gestrafft, die Pausen dadurch kleiner. Viele Studenten haben keine Zeit mehr zum Mittagessen." Hinzu komme die Schließung des Wohnheims D und die Tatsache, dass viele Vorlesungen inzwischen im Internet zu sehen sind - beides führe dazu, dass weniger Studenten auf dem Campus sind.

Noch ist es ruhige Geschäftigkeit, die in der mehr als tennisplatzgroßen Küche herrscht. Rund 20 Männer und Frauen sind am Werk. Alle tragen weiße Kittel oder blaue Latzhosen. Ein Mitarbeiter öffnet riesige Dosen mit Birnen, Oliven und Tomatenmark, kleinere mit Kokosmilch. Ein anderer füllt aus einem Zapfhahn Karamellpudding in kleine Schalen. Der Duft von gebackenen Brötchen zieht durch die Luft. Eine überdimensionale Rührmaschine vermengt 70 Kilo Karottensalat. Auf einem Gestell warten bis zu einen Meter lange Schöpfkellen, Schneebesen und Pfannenwender auf ihren Einsatz.

Anstatt acht wie im Semesterbetrieb werden heute sechs verschiedene Mahlzeiten mitsamt Beilagen zubereitet. Etwa die Hälfte davon ist vegetarisch. Die von den Grünen angestoßene Debatte um einen "Veggie Day" in Kantinen hat Kunz deshalb wenig erregt. Fleischlose Gerichte sind in der Mensa schon lange an der Tagesordnung. Nur die Anzahl der Angebote für Vegetarier ist in den letzten Jahren größer geworden. "Die Nachfrage ist deutlich gestiegen. Dem haben wir uns angepasst", sagt der Mensaleiter. "Ein Essen pro Tag ist inzwischen sogar vegan." Komplett ohne tierische Produkte zu kochen, war durchaus eine Herausforderung. Denn hier steckt der Teufel manchmal im Detail. Es geht eben nicht nur um Milch und Eier. "Wir haben früher zum Beispiel einen Essig benutzt, in dem auch Honig enthalten war."

Je näher 11.30 Uhr rückt, desto mehr steigt auch der Geräuschpegel in der Küche. Schüsseln und Besteck klappern, Fleisch brutzelt und zischt. In einer riesigen Fritteuse blubbert und sprudelt das Öl. Goldgelb werden die Pommes gebacken, bevor sie eine Rampe hinauffahren und auf der anderen Seite wieder ausgespuckt werden. Die Mitarbeiter flitzen durch die Gänge, ihre Kittel blitzen weiß zwischen Chrom und Edelstahl auf. Doch es herrscht kein Chaos. Jeder weiß, was er zu tun hat. "Jeder hat seinen Platz an einer Theke, wo er die Speisen vorbereitet, die er später auch selbst an die Gäste austeilt", erklärt der stellvertretende Küchenleiter Hermann Klicker. "Das ist jahrelange Routine." Von seinem Büro in der Mitte der Küche kann er das Treiben stets überblicken. Es läuft rund. Und das muss es auch. Punkt 11.30 Uhr stehen die ersten Gäste auf der Matte. Für sie ist der Gedanke an Mittagessen jetzt genau richtig.

 Guten Appetit: Hühnchenfleisch mit Reis und Gemüse.

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 Eine Badewanne voller Reis: In der Mensa der Uni Saarbrücken ist alles ein bisschen größer als in der heimischen Küche.

Eine Badewanne voller Reis: In der Mensa der Uni Saarbrücken ist alles ein bisschen größer als in der heimischen Küche.

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HintergrundDie Essensreste auf den Tellern wandern in der Uni-Mensa nicht in den Müll. Sie werden aus der Spülküche über ein Rohrsystem in den Keller geleitet. Dort werden sie in einem Tank gesammelt. Einmal die Woche pumpt ein Lastwagen die Masse ab und bringt sie in eine Biogasanlage. Das ist nicht der einzige Umweltaspekt in der Mensa. So wird zum Beispiel das Frittier-Öl zu Kraftstoff weiterverarbeitet. Die Reinigungsmittel werden über eine Dosieranlage abgegeben und die Spülmaschine ist mit einer Wärmegewinnungsanlage ausgestattet und speist das Heizsystem. mast

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