Von Kakerlaken und Verschwörungen

Internetnutzer "Chrisfishenstein" hat es die ganze Zeit gewusst. Natürlich könne der regierungsamtlichen Darstellung vom Tod Osama bin Ladens nicht geglaubt werden. "Denn wenn das wirklich passiert wäre, hätten sie Fotos, Videos und eine Dokumentation, wie sie den Terroristen Nummer Eins getötet haben", schreibt er auf einer Webseite für Fans von Verschwörungstheorien

Internetnutzer "Chrisfishenstein" hat es die ganze Zeit gewusst. Natürlich könne der regierungsamtlichen Darstellung vom Tod Osama bin Ladens nicht geglaubt werden. "Denn wenn das wirklich passiert wäre, hätten sie Fotos, Videos und eine Dokumentation, wie sie den Terroristen Nummer Eins getötet haben", schreibt er auf einer Webseite für Fans von Verschwörungstheorien. "Dann hätten sie doch seinen Leichnam nicht umgehend fortgeschafft. Aber die Zeit der Wiederwahl (von US-Präsident Barack Obama) rückt näher, welchen besseren Zeitpunkt gäbe es also?"Die Entscheidung Washingtons, die Bilder des toten Terroristenführers nicht freizugeben, scheint Zweifler Morgenluft wittern zu lassen. "Das ist doch völlig verrückt, mit einer so wichtigen Situation so umzugehen", meint User "ProtoplasmicTraveler". "Wenn man sich den Umgang mit der Festnahme Saddam Husseins und dem Tode seiner Söhne anschaut, ist das doch ein klarer Bruch mit der normalen Politik." Und User "Flighty" meint dazu: "Ich glaube schon, dass er (Bin Laden) tot ist. Nur nicht, dass er am vergangenen Wochenende gestorben ist."

Die Nachricht vom blutigen Ende des Al-Qaida-Führers war in der Nacht zu Montag kaum in der Welt, da sponnen Skeptiker und Fantasiebegabte schon reichlich Seemannsgarn, vor allem im Internet. Die schnelle Beisetzung, die flotte DNA-Analyse, die fehlenden Bilder - kann das alles sein? Laut US-Regierung gibt Bin Ladens Erbgut-Test zu 99,9 Prozent Gewissheit. Was ist mit den restlichen 0,1 Prozent? Fragen, wie sie seit jeher um die Terrorschläge vom 11. September 2001, die Ermordung John F. Kennedys, die Mondlandung und Ufo-Erscheinungen kreisen.

Aber nicht nur aus den düsteren Tiefen des Internets, auch im grellen Scheinwerferlicht der Medien tummeln sich skurrile Verschwörungsschmiede. Ganz vorne dabei: Die Galionsfigur der US-Rechtsaußenmedien, Glenn Beck. "Haben Umfragewerte mit all dem zu tun, oder sehen wir einer Show zu?" Die prominente Antikriegs-Aktivistin Cindy Sheehan schrieb im Internet: "Wenn ihr den neuesten Tod von OBL (Osama bin Laden) glaubt, seid ihr blöd." Und die Ikone der Erzkonservativen, Sarah Palin, verlangte per Twitter: "Zeigt Fotos als eine Warnung für jene, die die Zerstörung Amerikas wollen."

Der konservative Senator Lindsey Graham stößt ins selbe Horn: Die Fotos nicht zu veröffentlichen sei ein "Fehler", wettert er. "Ich weiß, dass Bin Laden tot ist. Aber der beste Weg, unsere Interessen im Ausland zu schützen, ist es, dem Rest der Welt das zu beweisen." Die Entscheidung des Präsidenten, die Fotos nicht freizugeben, "wird die Debatte unnötig in die Länge ziehen", fürchtet der Republikaner. Das Weiße Haus ist da anderer Meinung, wenn auch die zahlreichen Korrekturen offizieller Schilderungen der Kommandoaktion eher nicht den Eindruck festigten, Washington spiele mit offenen Karten. "Wir glauben nicht, dass ein Foto einen Unterschied macht", sagte Präsident Barack Obama an die Adresse der Skeptiker. "Es wird eben Leute geben, die es in Zweifel ziehen."

Man wird sie einfach nicht abschaffen können, befindet auch die "Washington Post"-Kolumnistin Alexandra Petri. "Der Hauptunterschied zwischen Kakerlaken und Verschwörungstheoretikern ist, dass es Mittel gibt, die man auf Kakerlaken sprühen kann." Und wenn eines Tages ein gewaltiger Asteroid alles intelligente Leben auf der Erde auslöschen sollte, "wird es immer noch eine Kakerlake, drei Knallköpfe und einen Anhänger von Verschwörungstheorien geben, der der Überzeugung ist, wir werden nie erfahren, was wirklich geschah".

Am Rande

Der radikal-islamische Prediger Pierre Vogel aus Köln will trotz eines Veranstaltungsverbots durch die Stadtverwaltung am Samstag in Frankfurt auftreten. Das Mitglied des vom Verfassungsschutz beobachteten Vereins "Einladung zum Paradies" sagte gestern, er wisse nichts von einem Verbot und halte ein solches auch für absurd. Seines Wissens habe die Stadt nur das anfänglich geplante Totengebet für Terroristenführer Osama bin Laden verboten. Von diesem Totengebet habe er zwischenzeitlich "wegen mehrerer religiöser Fragen" selbst Abstand genommen, sagte Vogel. Der 32-jährige Prediger betonte, in Frankfurt über die Unvereinbarkeit von Islam und Terror sprechen zu wollen. dapd

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