Von Gourmet-Tempeln, Kunst und Korruption

Saarbrücken. Als die Richter der Wirtschaftsstrafkammer des Saarbrücker Landgerichts vor Monaten die Termine für den Prozess um Kunst, Kultur, Korruption und Gourmets planten, konnten sie nicht ahnen, dass diese Hauptverhandlung zum Auftakt eines Kurzwahlkampfes für die Landtagswahlen an der Saar stattfinden wird

Saarbrücken. Als die Richter der Wirtschaftsstrafkammer des Saarbrücker Landgerichts vor Monaten die Termine für den Prozess um Kunst, Kultur, Korruption und Gourmets planten, konnten sie nicht ahnen, dass diese Hauptverhandlung zum Auftakt eines Kurzwahlkampfes für die Landtagswahlen an der Saar stattfinden wird. Ralph Melcher, fristlos gefeuerter Vorstand der weitgehend vom Steuerzahler finanzierten Stiftung Saarländischer Kulturbesitz (SSK), sitzt von morgen an und voraussichtlich an neun weiteren Prozesstagen auf der Anklagebank. Untreue zum Nachteil der Stiftung und Bestechlichkeit lauten die strafrechtlichen Vorwürfe gegen ihn.Für die Landespolitik ist dieser Fall so pikant, weil der promovierte Kunsthistoriker in seinem Amt fast nach Belieben schalten und walten konnte. Seine Kontrolleure im Kuratorium der Stiftung, dem der Kulturminister vorsitzt, schauten ihm nicht auf die Finger. Erst die Prüfer des Landesrechnungshofes prangerten die Verschwendung von Steuergeld durch Luxusreisen und zahlreiche Arbeitsessen in Gourmet-Tempeln und Edelrestaurants an.

Der Prüfbericht rief prompt den Staatsanwalt auf den Plan. Später folgte zudem die ernüchternde Zwischenbilanz des Bauvorhabens "Vierter Pavillon" und der millionenschweren Kostenexplosion. Um den Museumsneubau geht es vor Gericht - wenn überhaupt - nur indirekt.

Der Prozess gegen den früheren Stiftungschef birgt dennoch ausreichend politischen Zündstoff. "Ich schließe nicht aus, dass wir die jeweiligen Dienstherren vernehmen müssen", gibt der Karlsruher Rechtsanwalt Michael Rosenthal zu Protokoll. Er verteidigt Melcher, dessen Dienstherren im Zeitraum 2006 bis 2010 der frühere Kulturminister Jürgen Schreier, dessen Nachfolgerin, die heutige Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer, und Ex-Minister Karl Rauber (alle CDU) waren.

Bislang steht noch kein Politiker auf der Zeugenliste. Dies kann sich aber schnell ändern. Rosenthal hofft die "Neugier des Gerichts" zu wecken, damit geklärt werden könne, "was wirklich war".

Gleich gegen zwei Anklagen, die im April und Oktober letzten Jahres erhoben wurden, muss sich Melcher verteidigen. Untreue in 43 Fällen wirft ihm die Staatsanwaltschaft in Zusammenhang mit teuren Bewirtungen und Einladungen des Projektsteuerers Gerd Marx, der von der Stiftung gleich mehrere Großaufträge hatte, vor. Bei den angeblichen Arbeitsessen mit dem Planer floss nach den Ermittlungen der Staatsanwaltschaft oft Champagner oder Prosecco. Die Zeche von rund 8000 Euro zahlte die Stiftung und damit der Steuerzahler.

Als eigener Tatkomplex ist beispielsweise eine Luxus-Dienstreise nach Wolfsburg im Oktober 2007 angeklagt. In der Nobelherberge "Ritz Carlton" wurden 420 Euro für zwei Zimmer mit der dienstlichen Kreditkarte Melchers bezahlt. Abends gönnten sich beide im Gourmetrestaurant des Hotels das Acht-Gang-Menü "Klassiker" für 138 Euro pro Person. Bezahlt wurden per Kreditkarte auch drei Flaschen Wein (256 Euro und zwei Glas Champagner: 46 Euro). Melcher gab großzügig 39,50 Euro Trinkgeld.

Marx machte, so der Staatsanwalt, bei der Stiftung später für diese Dienstreise nach Wolfsburg ein Honorar von 2898 Euro (Stundensatz 138 Euro) geltend.

Um einen "Herrenabend" auf Einladung von Marx geht es unter anderem in der zweiten Anklage. Mit von der Partie war Ex-Kulturminister Schreier, der beteuerte, es sei für ihn ein dienstlicher Termin gewesen. Gastgeber Marx soll nach den Ermittlungen 414 Euro (drei Stundensätze) mit der Stiftung abgerechnet haben, da er seine Gäste zu einem Termin ins Museum begleitet hatte. Korruption wirft die Staatsanwaltschaft dem Angeklagten Melcher vor, weil er von Marx, dem er dienstlich zahlreiche Aufträge erteilt hatte, selbst Beraterhonorar von 8225 Euro kassiert hat. Die meisten Termine, an denen diese Beratung Melchers stattgefunden haben soll, überschneiden sich pikanterweise mit denen, da er Marx auf Stiftungskosten bewirtet hatte, weil doch dieser ihn in seiner Funktion als Stiftungsvorstand beraten haben will. Melchers Anwalt Rosenthal sagt zu diesen und weiteren Korruptionsvorwürfen: "Das ist Quatsch!"

Rosenthal begleitet seinen Mandanten Melcher voraussichtlich in der nächsten Woche auch zu einem Termin im Landtag. Am Mittwoch, 8. Februar, hat Melcher vor dem Untersuchungsausschuss "Vierter Pavillon" Gelegenheit seine Sicht der Dinge zu präsentieren. Ein Auftritt, der möglicherweise weiteren Zündstoff im Kurzwahlkampf bescheren kann.

Foto: dpa

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