Von Frankfurt nach Paris im rollenden Bistro

Saarbrücken. Der Zug schaukelt heftig. Anke Petzold macht einen kleinen Ausfallschritt, um das Gleichgewicht zu halten, und schneidet seelenruhig weiter. Mit einem großen Küchenmesser zerteilt sie Gurkenscheiben und Tomaten als Dekoration für den Käseteller, den sie gerade zubereitet. Camembert, Pistazienkäse, Provolone. .

 Mittagszeit heißt für die Passagiere der 1. Klasse im ICE von Frankfurt nach Paris gleich Essenszeit. Wie in einem Flugzeug reichen Claudia Herth und Ah-fat Wahed am Platz geräuchertes Schweinefilet mit Kartoffelsalat. Fotos: Oliver Dietze

Mittagszeit heißt für die Passagiere der 1. Klasse im ICE von Frankfurt nach Paris gleich Essenszeit. Wie in einem Flugzeug reichen Claudia Herth und Ah-fat Wahed am Platz geräuchertes Schweinefilet mit Kartoffelsalat. Fotos: Oliver Dietze

Saarbrücken. Der Zug schaukelt heftig. Anke Petzold macht einen kleinen Ausfallschritt, um das Gleichgewicht zu halten, und schneidet seelenruhig weiter. Mit einem großen Küchenmesser zerteilt sie Gurkenscheiben und Tomaten als Dekoration für den Käseteller, den sie gerade zubereitet. Camembert, Pistazienkäse, Provolone. . . Insgesamt sechs verschiedene Sorten richtet sie auf dem Teller an. Dabei summt sie vor sich hin. "Da fehlt noch die Liebe", scherzt Mohamed Gaoua, während er sich mit einem Teller Bohneneintopf an seiner Kollegin vorbeischiebt. Die Liebe, das ist eine Mischung aus frischen Kräutern. Die streut Anke Petzold schwungvoll auf den Teller. Et voilà: Internationale Käsespezialitäten à la Deutsche Bahn.Es ist kurz nach 13.30 Uhr. Das Bordrestaurant im ICE von Frankfurt nach Paris ist voll besetzt. In der Küche herrscht Hochbetrieb. Fünf Leute arbeiten in dem langen, schmalen Raum zusammen. "Berührungsängste darf man in unserem Job wirklich nicht haben", sagt Claudia Herth, Gruppenleiterin im Bordservice der Bahn.

Gastronomie in Zügen hat eine lange Tradition, die schon in den Anfängen der Eisenbahn im 19. Jahrhundert wurzelt. "Züge waren damals die schnellste und eleganteste Art, sich fortzubewegen. Da die Reisen aber oft viele Stunden oder gar Tage dauerten, hatte die Verpflegung eine große Bedeutung", erklärt Martin Brandenbusch, Regionalleiter Mitte im Bereich Bordservice. Da waren mehrgängige Menüs, opulente Salons oder teures Tafelsilber keine Seltenheit. In der Zeit der Weltkriege und auch in den 1950ern ging es dagegen "nur darum, von A nach B zu kommen". Erst ab den 60ern war gepflegtes Speisen im Zug wieder gefragt - und ist es bis heute, wenn sich auch die Art der Zubereitung sehr verändert hat.

Mit spitzen Fingern holt Anke Petzold zwei kleine Plastikbeutel aus dem Dampfgarer. Schnell dreht sie sich um und legt die heißen Beutel in eine Suppenschüssel. Dann schüttelt sie kurz die Hände aus. Mit einer Schere öffnet sie die Behälter - und die dunkelrote Masse entpuppt sich als Chili con Carne, dessen würziger Duft dem Geruch von frisch gebackenem Baguette Konkurrenz macht.

Die Zeiten, in denen in Zügen mit Töpfen und Pfannen hantiert wurde, sind lange vorbei. Seit Anfang der 90er bereitet das Servicepersonal die Speisen, die in ihren einzelnen Bestandteilen in Plastik eingeschweißt werden, in Dampfgarern, Mikrowellen und Öfen zu. Was der Qualität des Essens keinen Abbruch tat, versichert Martin Brandenbusch: "Die Speisen werden nicht tiefgefroren. Sie werden mit frischen Zutaten traditionell zubereitet und dann abgepackt. Dadurch können wir gleichbleibende Qualität und zügige Zubereitung im Bordrestaurant bieten." Bereitgestellt werden Getränke und Speisen in den zehn Logistik-Zentren der Bahn. In Frankfurt arbeiten rund 60 Mitarbeiter im Schichtdienst rund um die Uhr, erklärt Jens Müller, Regionalleiter im Bereich Logistik. "Wir halten hier zwischen 450 und 500 Artikel vorrätig."

Auf den ersten Blick wirkt das Logistik-Zentrum wie eine wilde Ansammlung von Kartons und Getränkekisten, die sich auf Regalen bis an die fünf Meter hohe Decke türmen. Doch auf den zweiten Blick wird das System erkennbar. Ein breiter Gang zieht sich durch die Lagerhalle. Rechts und links davon sind die Waren verstaut. Zunächst alles, was nicht gekühlt werden muss, zum Beispiel Süßigkeiten, Brot, aber auch Geschirr. Dann geht es in die kalte Abteilung. Hinter einer schweren Stahltür arbeiten zwei Männer, in dicke Jacken, Pelzmützen und Handschuhe eingepackt. Fünf Grad kalt ist es in diesem Raum, in dem graue Rollcontainer beladen werden, wie man sie aus Flugzeugen kennt. Frisches Gemüse und Salat, in Plastik eingeschweißte Nudeln, Kartoffeln, Lachs, Eintöpfe und Soßen landen in den Schubladen. Im Raum nebenan darf nur mit Schutzkleidung gearbeitet werden. Ein blaues Schild neben der Tür zeigt es an: Handschuhe, Häubchen und Schuhüberzug müssen sein. Auf einem langen Tisch ist ein Tablett an das nächste gereiht. Darauf richtet ein Mitarbeiter Salate und Fleisch an - für das Essen, das in der ersten Klasse am Platz serviert wird. Am Ende des langen Ganges werden Speisen schließlich auf ein Elektrofahrzeug geladen und zum Zug gefahren.

"Die Bordgastronomie hat sich im Laufe der Zeit sehr stark gewandelt. Das musste sie auch, denn das Konsumverhalten der Reisenden hat sich geändert. Alles ist schneller geworden. Deshalb müssen wir die Bedürfnisse unserer Kunden schneller bedienen", sagt Martin Brandenbusch. Gerade die Snacks seien der große Renner: Chili con Carne, Nürnberger Rostbratwürstchen, Currywurst oder Ofenkartoffeln. Aber auch Qualität und Service müssen stimmen, denn durch die Billigflieger wird die Konkurrenz in der Luft immer größer. "Gerade auf der Strecke Frankfurt-Paris ist das der Fall. Deshalb servieren wir das Essen für die Auslandsreisenden in der ersten Klasse am Platz", sagt Martin Brandenbusch.

"Was möchten Sie trinken? What would you like to drink?", fragt Claudia Herth. Mineralwasser, Saft und Wein hat sie in ihrem Rollcontainer anzubieten. Für die zwei Geschäftsreisenden aus Frankfurt darf es ein Glas Rotwein sein zum Mittagessen. Geräuchertes Schweinefilet mit Kartoffelsalat, gemischtem Salat, Brötchen und einem Törtchen gibt es heute. "Guten Appetit", wünscht Claudia Herth und schiebt den Container weiter. "Was möchten Sie trinken?" "Die Bordgastronomie hat sich im Laufe der Zeit sehr stark gewandelt."

Martin Brandenbusch, Regionalleiter Bordservice

Hintergrund

 Essens-Zubereitung mit System: Ein Mitarbeiter des Logistik-Zentrums Frankfurt richtet Schweinefilets auf Tabletts an.

Essens-Zubereitung mit System: Ein Mitarbeiter des Logistik-Zentrums Frankfurt richtet Schweinefilets auf Tabletts an.

 Kalter Arbeitsplatz: Dick eingepackt verstaut ein Mitarbeiter gekühlte Lebensmittel für einen Zug in einem Container.

Kalter Arbeitsplatz: Dick eingepackt verstaut ein Mitarbeiter gekühlte Lebensmittel für einen Zug in einem Container.

 Mittagszeit heißt für die Passagiere der 1. Klasse im ICE von Frankfurt nach Paris auch Essenszeit. Wie in einem Flugzeug reichen Claudia Herth und Ah-fat Wahed geräuchertes Schweinefilet mit Kartoffelsalat. Fotos: Oliver Dietze

Mittagszeit heißt für die Passagiere der 1. Klasse im ICE von Frankfurt nach Paris auch Essenszeit. Wie in einem Flugzeug reichen Claudia Herth und Ah-fat Wahed geräuchertes Schweinefilet mit Kartoffelsalat. Fotos: Oliver Dietze

 Essens-Zubereitung mit System: Ein Mitarbeiter des Logistik-Zentrums Frankfurt richtet Schweinefilets auf Tabletts an.

Essens-Zubereitung mit System: Ein Mitarbeiter des Logistik-Zentrums Frankfurt richtet Schweinefilets auf Tabletts an.

 Kalter Arbeitsplatz: Dick eingepackt verstaut ein Mitarbeiter gekühlte Lebensmittel für einen Zug in einem Container.

Kalter Arbeitsplatz: Dick eingepackt verstaut ein Mitarbeiter gekühlte Lebensmittel für einen Zug in einem Container.

Die Deutsche Bahn serviert seit einigen Jahren kulinarische Kreationen von Spitzenköchen. Größen wie Eckart Witzigmann, Sarah Wiener, Tim Mälzer und der Saarländer Christian Rach waren schon dabei. 2011 stellt Sternekoch Alfons Schuhbeck seine Klassiker der deutschen Küche vor. Bis Ende März stehen Rheinischer Sauerbraten mit Schwarzwurzeln und Kartoffel-Klößen, Leberkäse mit Chili-Rahmkraut und Kartoffelpüree sowie Grüner Bohnen-Eintopf auf der Karte. mast

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort
Streit ums Benzin Mit großem Aufwand wurde der neue Kraftstoff E10 in Deutschland eingeführt - nun will ihn keiner haben. Die Beteiligten streiten nun, wer schuld an dem Desaster ist. Ein Benzin-Gipfel mit Wirtschaftsminister Brüderle soll am Dienstag Lös
Streit ums Benzin Mit großem Aufwand wurde der neue Kraftstoff E10 in Deutschland eingeführt - nun will ihn keiner haben. Die Beteiligten streiten nun, wer schuld an dem Desaster ist. Ein Benzin-Gipfel mit Wirtschaftsminister Brüderle soll am Dienstag Lös