"Von der Schlafpille zum Azubi"

Die SPD hat schon missvergnüglichere Tage erlebt. Wer immer sich von den Genossen gestern zum Thema "Trauer-Glos" äußerte, der konnte seine Häme über das dilettantische Krisenmanagement beim schwarzen Koalitionspartner nur schwer verbergen

Die SPD hat schon missvergnüglichere Tage erlebt. Wer immer sich von den Genossen gestern zum Thema "Trauer-Glos" äußerte, der konnte seine Häme über das dilettantische Krisenmanagement beim schwarzen Koalitionspartner nur schwer verbergen. Am ärgsten trieb es der Parlamentarische Geschäftsführer Thomas Oppermann, als er empfahl, dass sein Parteifreund und Finanzminister Peer Steinbrück den Job des Wirtschaftsministers "ohne Weiteres mitübernehmen" könne. Das Zugriffsrecht auf diesen Posten hat die Union. So ist es im Koalitionsvertrag geregelt. Aber die Episode zeigt, dass die SPD Oberwasser spürt. Wir sind geschlossen, die Union ist zerstritten. Diesen Tenor hatte SPD-Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier schon am Wochenende intoniert - und damit vor allem auf die Kanzlerin gezielt: "Frau Merkel lässt sich von der CSU auf der Nase herum tanzen", ätzte Steinmeier. Tatsächlich wirkt die Regierungschefin zunehmend überfordert. In der Steuerdebatte schlug sie verwirrende Haken. Dem Scheitern des Umweltgesetzbuches weinte sie keine Träne nach, obwohl es eigentlich eines ihrer zentralen Vorhaben als "Klimakanzlerin" war. Und auch beim unrühmlichen Abgang des CSU-Wirtschaftsministers machte Merkel keine gute Figur. Die SPD schürt die Zweifel an Merkels Führungsfähigkeiten nach Kräften. Aus einem simplen Grund: Wenn es für die Genossen einen Weg gibt, nach der Bundestagswahl den Kanzler zu stellen, dann führt er über die Schwächung der Amtsinhaberin. Schließlich ist Merkel in der Bevölkerung nach wie vor deutlich beliebter als ihre eigene CDU. Das könnte am Ende wahlentscheidend sein. Auch SPD-Chef Franz Müntefering bohrte gestern in der politischen Wunde der Union. Er hätte sich "gewünscht", dass Merkel die Amtsmüdigkeit von Wirtschaftsminister Michael Glos "früher erkannt und entsprechend reagiert" hätte, meinte er nach einer Präsidiumssitzung vor Journalisten. In der FDP fiel der Befund kaum anders aus. Merkel habe in "in den eigenen Reihen augenscheinlich nur noch wenig Autorität", meinte Parteichef Guido Westerwelle. Von Schadenfreude á la SPD sind die Liberalen allerdings weit entfernt. Vielmehr geht die Sorge um, dass die Union, mit der man nach der Wahl am Berliner Kabinettstisch sitzen will, weiter politisch erodiert. Westerwelle hatte in Glos zuletzt ein "Quantum Trost" gesehen, weil der Franke den wirtschaftspolitischen Vorstellungen der FDP am nächsten stand. "Nun könnte es sein, dass sich die Befürworter einer Fortsetzung der großen Koalitionen in der Union durchsetzen", heißt es in Parteikreisen. Die Begeisterung über den Glos-Nachfolger Karl-Theodor zu Guttenberg hält sich bei der FDP jedenfalls stark in Grenzen. "In der Wirtschaftspolitik hat er sich bisher nie hervorgetan", kritisierte FDP-Generalsekretär Dirk Niebel. Noch schärfer gingen die Grünen mit dem Neuen ins Gericht. "Wir haben eine Situation, in der es heißt: von der Schlafpille zum Azubi", höhnte der Spitzenkandidat für die Bundestagswahl, Jürgen Trittin. Die Linke suchte aus dem Koalitions-Wirrwarr ebenfalls politischen Honig zu saugen: "In dieser Regierung gehen Personalquerelen vor Sachkompetenz", resümierte Fraktionsvize Klaus Ernst. So gesehen hat auch die SPD keinen Grund zum Überschwang. Das gestand Müntefering durchaus zu: Mit der Groteske um Glos laufe die Politik "Gefahr, sich lächerlich zu machen".

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