Von der rechten Szene ins alternative Milieu

Düsseldorf. In einem Altbau im von vielen Ausländern bewohnten Düsseldorfer Arbeiter-Stadtteil Oberbilk liegt die Wohnung von Carsten S. (31). Vor wenigen Tagen noch hatten Ermittler in Karlsruhe eine Spur des braunen Terrors nach Düsseldorf bestritten, doch gestern schlug die Eliteeinheit GSG 9 genau dort zu. S. wurde als mutmaßlicher Mordhelfer der Zwickauer Terrorzelle festgenommen

 Carsten S. wird beim Bundesgerichtshof zu seinem Termin vor dem Haftrichter geführt. Foto: Deck/dpa

Carsten S. wird beim Bundesgerichtshof zu seinem Termin vor dem Haftrichter geführt. Foto: Deck/dpa

Düsseldorf. In einem Altbau im von vielen Ausländern bewohnten Düsseldorfer Arbeiter-Stadtteil Oberbilk liegt die Wohnung von Carsten S. (31). Vor wenigen Tagen noch hatten Ermittler in Karlsruhe eine Spur des braunen Terrors nach Düsseldorf bestritten, doch gestern schlug die Eliteeinheit GSG 9 genau dort zu. S. wurde als mutmaßlicher Mordhelfer der Zwickauer Terrorzelle festgenommen. Er sei dringend verdächtig, Beihilfe zu sechs Morden und einem versuchten Mord des rechtsextremen Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU) geleistet zu haben, so sieht es die Bundesanwaltschaft inzwischen. Mit einem Polizeihubschrauber wurde S. am Nachmittag zum Bundesgerichtshof (BGH) nach Karlsruhe gebracht. Der Ermittlungsrichter sollte ihm dort den Haftbefehl eröffnen.

Ungläubigkeit im Umfeld

Vor wenigen Tagen noch hatte der 31-Jährige über seinen Anwalt jede Beteiligung an den NSU-Morden bestritten und sein Entsetzen über die Taten kundgetan. Er sei aus der rechtsextremen Szene ausgestiegen und verabscheue deren Treiben, ließ er wissen. In Düsseldorf scheint das durchaus nachvollziehbar: S. studierte Sozialpädagogik an der Fachhochschule, arbeitete als Berater im sozialen Bereich für gemeinnützige Organisationen und Einrichtungen. Auf Fotos im Internet lächelt er mit Jugendlichen in einem Jugendzentrum um die Wette. Bis zu seiner Festnahme arbeitete er in einem eher alternativen Milieu mit Homosexuellen. Es scheint, als hätte Carsten S. die Welten gewechselt: Das Logo der Studentenvertretung der FH Düsseldorf, an der S. studierte, ziert ein roter Stern. Ob der Milieuwechsel mit Hilfe des Aussteigerprogramms für Rechtsextreme geschah, darüber halten sich die Behörden bedeckt.

Seine Herkunft aus Thüringen hatte Carsten S. in Düsseldorf nicht verschwiegen, seine Vergangenheit anscheinend schon. Dass er Mitglied im berüchtigten Thüringer Heimatschutz war, löst dort, wo man S. in Düsseldorf kennengelernt hat, ungläubiges Staunen aus. Ebenso, dass er NPD-Jugendfunktionär und 1999 und 2000 zeitweise wichtigster Kontaktmann der Zwickauer Terrorzelle gewesen war, ihr eine Schusswaffe zugespielt haben soll.

"Das ist ein toller Mensch, ein super Mitarbeiter", sagt die Leiterin des Jugendzentrums, in dem er acht Stunden die Woche arbeitete. "Ich glaube das erst, wenn ein Richter das bestätigt hat." Auch bei seinem Haupt-Arbeitgeber, einer Hilfseinrichtung, hört man am Mittwoch nur Gutes: "Ein ganz toller Mitarbeiter."

Ein junger Mann im schwierigen Alter von 18, 19 Jahren sei Carsten S. damals gewesen, hatte sein Kölner Anwalt Jacob Hösl argumentiert. Dass S. auch noch in Nordrhein-Westfalen als logistischer Helfer für die Zwickauer Terroristen gedient haben soll, hielt der Anwalt in der vergangenen Woche für abwegig: "Als hätten die nicht auch allein mit dem Auto durch Deutschland fahren können."

Kannte er das Neonazi-Trio?

"Ich bin im Jahre 2000 aus der rechten Szene ausgestiegen. Seitdem habe ich mich davon distanziert und verabscheue jegliche Art von rechtem, rassistischem und extremistischem Gedankengut", hatte Carsten S. über seinen Anwalt mitgeteilt. Nach dem Jahr 2000 habe er keinen Kontakt mehr zur rechten Szene gehabt. Er habe von den Straftaten der Zwickauer Terrorzelle nichts gewusst und sei über deren Aktivitäten extrem erschrocken.

Zur Frage, ob er das Neonazi-Trio aus Zwickau persönlich kannte, schwieg sich S. allerdings aus. "Mehr möchte ich dazu nicht sagen, da ich vor elf Jahren ein neues Leben begonnen habe."

 Carsten S. wird beim Bundesgerichtshof zu seinem Termin vor dem Haftrichter geführt. Foto: Deck/dpa

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Ins Rheinland zog S. einem Verfassungsschutzbericht zufolge allerdings erst im Jahr 2003. Nicht nur über diese Lücke von immerhin drei Jahren wird er nun den Ermittlern von Bundesanwaltschaft und Bundeskriminalamt einige Fragen beantworten sollen.

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