Von der Macht und der Mafia

Rom · Jahrzehntelang war er an der Macht und prägte die italienische Politik: Mit Giulio Andreotti ist gestern eine der schillerndsten und umstrittensten Persönlichkeiten des Landes gestorben.

"Die Macht verschleißt nur den, der sie nicht hat", sagte er einmal. Giulio Andreotti musste es wissen: Sieben Mal war er in Rom Ministerpräsident, 33 Mal Minister, 1992 wurde er dann Senator auf Lebenszeit. Jahrzehntelang lief in Italien politisch praktisch nichts ohne ihn. Hoch gestiegen und so tief gefallen wie nur wenige andere Akteure in der westeuropäischen Nachkriegspolitik überlebte er mehr oder weniger unbeschadet gleich mehrere Prozesse wegen Mordes und Mafia-Verstrickungen.

66 Jahre auf der politischen Bühne zeigen, was Andreotti meinte: "Mein Leben ist die Politik." Und das widmete er seiner damaligen katholischen Volkspartei Democrazia Cristiana (DC). Jetzt ist der gebürtige Römer im Alter von 94 Jahren gestorben. Seinen Aufstieg begann der fromme Lehrersohn, der fast bis zuletzt täglich zur Frühmesse ging, im Vatikan. Und es war in den Bibliotheken des Heiligen Stuhls, wo der junge Mann dann 1942 Alcide De Gasperi traf, der sein politischer Mentor werden sollte. 1947 wurde Andreotti mit 28 Jahren erstmals ins Parlament gewählt, 1954 war er erstmals Minister. Zunächst übernahm er das Innenressort, später Finanzen, Verteidigung und Außenpolitik. 1972 führte er seine erste Regierung an. Schon damals galt: Wo die Macht war, da war Andreotti.

Bis zuletzt war das rätselhafte und schillernde Urgestein der italienischen Nachkriegspolitik für viele das Sinnbild von schlichtem Machthunger und Skrupellosigkeit. Unvergessen bleibt sein politischer Absturz Anfang der 1990er Jahre: Nach dem Fall der italienischen "Schmiergeld-Republik" musste sich der Christdemokrat gleich zweimal vor Gericht verantworten: Einmal im Prozess wegen des Mordes an dem Journalisten Mino Pecorelli, der gegen die sizilianische Mafia Cosa Nostra ermittelt hatte, und dann noch in einem Verfahren wegen MafiaKontakten in Palermo. Als "Leichenschauhaus der Demokratie" bezeichnete ein Staatsanwalt damals, was die Mafia dort auspackte: Andreotti soll mit "Paten" verkehrt und dem Superboss der Mafia, Totò Riina, sogar als Zeichen seiner Ehrerbietung einen Wangenkuss gegeben haben. Der erste Prozess endete in dritter Instanz mit einem Freispruch. Vor der Verurteilung wegen Mafia-Verstrickungen bewahrte ihn die Verjährung.

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