Zukunft des Fernsehens Von der Flimmerkiste zur Streamingliste

Saarbrücken/ Berlin · Das Morgenmagazin der ARD feiert heute seinen 25. Geburtstag. Damals ein Meilenstein. Doch wer schaut heute in Zeiten von Netflix und Youtube noch fern?

 Eine Frau sitzt vor einem Fernseher und hält eine Fernbedienung in der Hand. (Symbolbild)

Eine Frau sitzt vor einem Fernseher und hält eine Fernbedienung in der Hand. (Symbolbild)

Foto: dpa/Monika Skolimowska

Eine Zeitreise zurück in die 70er Jahre. Es ist Viertel vor acht. Vater, Mutter und Kinder versammeln sich vor der heimischen Flimmerkiste. Die Spannung steigt. Jemand drückt auf den Anschaltknopf. Der bierkastengroße Bildschirm flackert auf. Noch kein Bild. Die Röhre muss sich erst warmlaufen. Zehn Minuten später. Es ist schon fünf Minuten vor acht. Jetzt hilft nur noch ein Schlag mit der flachen Hand. Hurra. Das Bild ist da. Jetzt ist es Punkt acht Uhr.  Tagesschau-Moderator Karl-Heinz Köpcke in Schwarz-weiß: „Hier ist das erste deutsche Fernsehen mit der Tagesschau.“ Das Highlight des Abends. Wer jetzt weiterzappen wollte, hatte sage und schreibe zwei weitere Programme zur Auswahl.

20 Jahre später, 13. Juli 1992:  Die ARD geht mit dem „Morgenmagazin“ (“Moma“) an den Start. Sieben Tage später folgt das ZDF. Fernsehen zu Kaffee und Nutella? In Deutschland eine absolute Neuheit. Die privaten Sender RTL und Sat. 1 hatten ihre Frühsendungen bereits fünf Jahre zuvor ins Programm gepackt.

Doch die Öffentlich-Rechtlichen wollten die Zeit zwischen 5.30 Uhr und 9 Uhr morgens nicht den Banalitäten des privaten Nebenbuhlers überlassen. Das politisches Magazin zum Frühstück war eine Kampfansage an die flache Berieselung am Morgen. Die Rechnung scheint aufgegangen zu sein: Hatte das „Moma“ vor einem Vierteljahrhundert noch 1,72 Millionen Zuschauer, so hat sich die Zahl heute auf knapp vier Millionen verdoppelt.

Das „Morgenmagazin“ moderieren Sven Lorig und Dunja Hayali. Und auch die Tagesschau gibt es immer noch. Heute unter anderem mit Jan Hofer und Susanne Daubner. Was aktuell auch Fakt ist: Laut statistischem Bundesamt verfügen knapp 98 Prozent der deutschen Haushalte über einen Fernseher. Das Farbfernsehen ohne Warmlaufen und Flackern ist längst Standard.

Doch im Vergleich zu früheren Zeiten versammelt sich im Internetzeitalter kaum noch eine Familie auf dem Wohnzimmersofa, um den aktuellen Nachrichten zu lauschen. Das Fernsehgerät gleicht auch nicht mehr einer braunen Mikrowelle mit Monitor. Der letzte Schrei sind riesige Flachbildschirme. Verbreitungsgrad in deutschen Haushalten im Jahr 2017: knapp 85 Prozent. „Der Trend geht klar zu großen Monitoren“, sagt Stephan Jakob. Der Verkaufsberater der Saarbrücker Saturn-Filiale zeigt auf einen 55-Zoll-Bildschirm. „Die werden im Moment am häufigsten gekauft.“ Groß entspricht hier einer Bildschirmdiagonale von 1,40 Metern. Dahinter könnten sich drei Kinder verstecken, ohne in die Hocke gehen zu müssen.

Doch nicht nur groß muss die Scheibe sein, sondern auch smart: Dass sich der Fernseher mit dem Internet verbindet, ist heute so normal wie die Kontoabfrage am Computer. Auch die Fernbedienung könnte bald ausgedient haben: Das Smartphone stellt per App Kontakt her zum Smart-TV. Laut der Studie „Private Haushalte in der Informationsgesellschaft“ (IKT) sind im ersten Quartal 2016 knapp zwölf Millionen Bundesbürger über ein Smart-TV online gegangen. Der Zeitgeist: Fernsehen auf Bestellung.

Während früher die größte Sorge der Kunden der Satellitenempfänger war, wird heute vehement nach dem vorinstallierten Netflix gefragt. „Netflixen“ hat sich unter jungen Leuten zur Standard-Freizeitbeschäftigung gemausert, manche Freunde gelten als „netflixsüchtig“. Der Online-Streaming-Dienst hat weltweit mittlerweile 100 Millionen Abonnenten. Das Berliner Forschungs- und Beratungsunternehmens Goldmedia schätzt die Zahl der deutschen Netflix-Nutzer auf fünf Millionen. Tendenz steigend. Auch der US-Anbieter Amazon mischt seit Jahren auf dem ­Streaming-Markt mit. Nach Angaben des Branchenverbands Bitkom schauen mittlerweile mehr als drei Viertel aller Internetnutzer über 14 Jahre in Deutschland Videos per Stream an.

Serien wie „Game of Thrones“ oder „House of Cards“ haben dank dieser Anbieter Rekorde gebrochen. Ihr großer Vorteil: Sie sind allzeit verfügbar. Der große Hype: „Video on demand“– „Video auf Abruf“. Nach festen Programmzeiten will sich der moderne Fernsehzuschauer nicht mehr richten. Das Programm soll sich vielmehr an seinen individuellen Bedürfnissen orientieren. Und: Er will mitmischen. Das parallele Kommentieren von Serien und Filmen über Soziale Netzwerke wie Facebook und Twitter hat mittlerweile die Diskussion am heimischen Esstisch abgelöst.

Angesichts der neuen und vielfältigen Möglichkeiten verwundert es nicht, dass die Zeit, die Fernsehzuschauer vor der Flimmerkiste verbringen, in den vergangenen 20 Jahren um 40 Minuten gestiegen ist. „Das Fernsehen ist nach wie vor das meistgenutzte Medium in Deutschland“, bestätigt auch der Programmdirektor des Saarländischen Rundfunks, Lutz Semmelrogge, auf Anfrage. Zwar könnten die Zuschauer heute verstärkt auswählen, welche Programme sie wann sehen wollten, aber er betont: „Auch junge Menschen wenden sich nicht – wie oft behauptet – komplett vom Fernsehen ab.“

Doch wie sieht das Fernsehen der Zukunft aus? Werden die Menschen in Deutschland in zehn Jahren nur noch alleine mit 3-D-Brille vor dem Flachbildschirm mit organischer Leuchtdiode sitzen, oder erlebt die idyllische Familienrunde um 20 Uhr gar eine Wiedergeburt? Was auch immer Realität werden wird, eines ist wohl sicher: Dem Flachbildfernseher muss niemand mit einem Schlag auf die Sprünge helfen.

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