Vom Schuldenverzicht zum Flächenbrand?

Können die Banken denn wirklich so einfach und gefahrlos auf die Hälfte ihrer Forderungen verzichten?Es gibt insgesamt rund 90 so genannte systemrelevante Banken in Europa. Ein Großteil von ihnen würde sich schwer tun, milliardenschwere Verluste einfach wegzustecken. Mit der belgisch-französischen Dexia-Bank ist ja schon das erste Haus zusammengebrochen

 Die Dexia-Bank ist unter dem Druck der Euro-Krise zusammengebrochen. Foto: Langsdon/dpa

Die Dexia-Bank ist unter dem Druck der Euro-Krise zusammengebrochen. Foto: Langsdon/dpa

Können die Banken denn wirklich so einfach und gefahrlos auf die Hälfte ihrer Forderungen verzichten?Es gibt insgesamt rund 90 so genannte systemrelevante Banken in Europa. Ein Großteil von ihnen würde sich schwer tun, milliardenschwere Verluste einfach wegzustecken. Mit der belgisch-französischen Dexia-Bank ist ja schon das erste Haus zusammengebrochen. Um das zu vermeiden, will die EU den Instituten zunächst vorschreiben, ihre Eigenkapitalbasis binnen sechs Monaten von derzeit fünf auf neun Prozent zu verbessern. Dafür brauchen die Häuser zusammengerechnet wohl um die 100 Milliarden Euro. Der Bedarf deutscher Banken liegt übrigens mit vier bis 4,5 Milliarden relativ niedrig, weil sich die hiesigen Institute bereits von ihren griechischen Papieren getrennt haben.

Werden denn alle Häuser dieser Anordnung zum Schuldenverzicht folgen?

Es wird keine "Anordnung" geben, sondern die Bitte, freiwillig zu verzichten. Nur dann ist nämlich sichergestellt, dass die Ratingagenturen die Institute nicht anschließend abwerten, was weitere Verluste zur Folge hätte.

Mit einem solchen Verzicht wäre Athen aber wirklich spürbar geholfen?

Darüber streiten die Experten. Die privaten Gläubiger im Ausland halten nämlich nur rund die Hälfte der griechischen Schulden. Ein Verzicht würde die Lasten Athens also nur um ein Viertel lindern. Gleichzeitig gibt es konjunkturelle Risiken, die die Schulden trotz aller Zugeständnisse weiter explodieren lassen könnten. So kostet jeder Streiktag viele Millionen Euro, die durch den Zinseszins-Effekt vervielfacht werden. Diese Entwicklung dürfte eine weitere Gefahr beschleunigen: Immer mehr Griechen ziehen ihre Guthaben nämlich von den heimischen Geldinstituten ab und parken ihr Geld im Ausland. Den hellenischen Instituten gehen also Einlagen verloren, die sie als Hauptgläubiger des Staates aber dringend bräuchten.

Wie groß ist die Gefahr, dass die Krise übergreift - auf Banken in aller Welt, auf die reale Wirtschaft?

Der Euro-Raum steht an einem Scheideweg. Wenn man einen derart hohen Schuldenverzicht erbittet, aber die Banken nicht das Vertrauen haben, dass sie nicht ins Straucheln geraten, werden sie sich untereinander kein Geld mehr leihen. Der Effekt wird noch dadurch verschärft, dass hohe Abschreibungen, selbst wenn sie das Haus nicht in Gefahr bringen, den eigenen Kapitalpuffer für Darlehen empfindlich schmälern. In der Folge dürften die Banken ihr Kreditgeschäft insgesamt zurückschrauben, was die Wirtschaft empfindlich treffen würde. Damit käme aller Aufschwung abrupt zum Erliegen. Es geht also darum, ob EU und Euro-Raum es schaffen, das Nötige zu tun, aber nur ein minimales Risiko einzugehen.

Könnte die Europäische Zentralbank nicht noch mehr helfen?

 Die Dexia-Bank ist unter dem Druck der Euro-Krise zusammengebrochen. Foto: Langsdon/dpa

Die Dexia-Bank ist unter dem Druck der Euro-Krise zusammengebrochen. Foto: Langsdon/dpa

Einige Experten fordern das. Bisher hat die EZB in Frankfurt rund 160 Milliarden Euro an Staatsanleihen aufgekauft, die ihren Wert verloren haben. Wenn die Bank aber klar sagen würde, dass sie bereit ist, alles zu tun, um solvente Staaten vor Ansteckungsrisiken zu schützen, würden die Investoren schlagartig wieder Vertrauen in die Euro-Zone gewinnen. Kritiker halten dagegen, dass die EZB sich auf ihre Kernaufgabe beschränken soll, die Preise stabil zu halten anstatt in die Staatsfinanzierung einzusteigen. Denn das könnte eine deutlich höhere Inflation bedeuten.

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