Vom Recht, ein vollwertiger Vater zu seinSaar-FDP und Saar-Linke begrüßen Karlsruher UrteilSo kommen unverheiratete Väter an ihr Sorgerecht

Karlsruhe. Der ledige Gymnasiallehrer Helge Messner nennt sich selbst einen "stolzen Vater". Doch richtig um seinen fünfjährigen Sohn kümmern durfte er sich bisher nicht. "Ein vollwertiger Vater zu sein, wurde mir verwehrt", sagt der 38-Jährige, dem die Mutter des Jungen die Teilung des Sorgerechts verweigert

Karlsruhe. Der ledige Gymnasiallehrer Helge Messner nennt sich selbst einen "stolzen Vater". Doch richtig um seinen fünfjährigen Sohn kümmern durfte er sich bisher nicht. "Ein vollwertiger Vater zu sein, wurde mir verwehrt", sagt der 38-Jährige, dem die Mutter des Jungen die Teilung des Sorgerechts verweigert. Doch seit gestern können Messner und zehntausende weitere Väter hoffen: Das Bundesverfassungsgericht hat die bisherigen Regelungen, die ledigen Müttern grundsätzlich das alleinige Sorgerecht zusprachen, gekippt. "Auf die Familiengerichte wird nun eine riesige Antragswelle zurollen", sagt Rüdiger Meyer-Spelbrink vom Verein "Väteraufbruch für Kinder" voraus. "Das Urteil macht mich richtig froh", sagt Messner. Bislang fühlt er sich als bloßer Zahlvater, der zwar ein Recht auf Umgang mit seinem Kind hat und es regelmäßig sehen darf. Mehr aber jedoch nicht: Denn Väter durften ohne Zustimmung der Mütter bislang nicht mitentscheiden, ob und in welchen Kindergarten ihr Kind geht, ob es ein Gymnasium besuchen oder eine Lehre machen soll, oder ob Mütter mit ihren Kindern weit wegziehen dürfen. Doch nun können unzählige ledige Väter bei Gericht ein anteiliges Sorgerecht beantragen. Und wenn dies dem Kindeswohl entspricht, haben sie auch einen Anspruch darauf. Die Karlsruher Richter setzten mit dieser Entscheidung eine Vorgabe des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom vergangenen Dezember 2009 um. Als Maßstab für die Prüfung der Väteranträge definierten die Verfassungshüter ausdrücklich das Wohl des Kindes - und nicht die nach ihrer Ansicht oft überwiegenden Eigeninteressen der Mütter. Der Karlsruher Beschluss kommt auch für Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) zur richtigen Zeit, um bei der geplanten Reform des Sorgerechts Widerstände aus dem konservativen Lager auszuräumen. Die Ministerin will nun "ein modernes Sorgerecht" auf den Weg bringen, "das die gesellschaftlichen Realitäten widerspiegelt". Dabei kann sie sich auf die Karlsruher Entscheidung stützen. Dort heißt es, dass mittlerweile jedes dritte Kind in Deutschland unehelich geboren wird und nur bei der Hälfte dieser Kinder ein gemeinsames Sorgerecht besteht. Dagegen seien in 18 EU-Staaten von Estland bis Spanien ledige Eltern verheirateten beim Sorgerecht weitgehend oder vollständig gleichgestellt. Leutheusser-Schnarrenberger will nun den Weg der Mehrheit in der EU gehen. "Ich will eine Reform, die den betroffenen Vätern Wege aufzeigt, wie sie auch ohne vorherige gerichtliche Entscheidung ihr Sorgerecht ausüben können", erklärte sie. Die Ministerin sympathisiert mit einem Vorschlag aus der FDP, wonach zunächst beiden Eltern grundsätzlich ein gemeinsames Sorgerecht zusteht. Mütter könnten aber bei Gericht dann Widerspruch einlegen, wenn Väter ihrer Ansicht nach dazu ungeeignet sind. Edith Schwarz vom Verband alleinerziehender Mütter und Väter, dem früheren "Verband lediger Mütter", ist deshalb alarmiert. Ein automatisches gemeinsames Sorgerecht würde ledigen Müttern nur "den Schwarzen Peter" zuschieben, wenn sie sich gegen Rabenväter wehren müssen, warnt sie: "Viele Väter sind nicht kompatibel, und das soll so auch bleiben." Schwarz plädiert deshalb für eine Antragslösung, bei der Gerichte im Streit um das Sorgerecht prüfen, ob Väter "Verantwortung für ihre Kinder übernehmen und Empathie für sie zeigen". Für Helge Messner ist das jedenfalls kein Thema. Er wird das gemeinsame Sorgerecht nun beantragen: "Ich werde ein vollwertiger Vater", freut er sich.Karlsruhe/Berlin. Unverheiratete Väter können ab sofort eine gleichberechtigte Mitsorge für gemeinsame Kinder beantragen. Das Bundesverfassungsgericht (BVG) stärkte jetzt die Rechte für diese Väter, die bislang nur mit Zustimmung der Mutter ein gemeinsames Sorgerecht erhielten (Az.: 1 BvR 420/09). Wie aber kommen ledige Väter überhaupt an ihr Sorgerecht? "Um an seine Rechte als Vater zu gelangen, muss dieser zunächst einmal die Vaterschaft anerkennen", erklärt Fachanwältin Ingeborg Rakete-Dombek, die auch Vorsitzende der Arbeitsgruppe Familienrecht im Deutschen Anwaltverein in Berlin ist. Dies geschehe beim zuständigen Jugendamt, am Wohnort des Kindes. Dort wird auch die sogenannte Sorgeerklärung abgegeben, die öffentlich beurkundet werden muss. Das Jungendamt prüft den Antrag. Verweigert die Mutter ein gemeinsames Sorgerecht, kann der Vater seinen Antrag beim Familiengericht überprüfen lassen - dies war nach der bisherigen Rechtsprechung nicht möglich.Kindeswohl geht vor Die Sorgeerklärung kann gemeinsam durch die Eltern oder einzeln abgegeben werden. Die gemeinsame elterliche Sorge wird jedoch erst rechtswirksam, nachdem beide Eltern dies erklärt haben. "Mit dem BVG-Urteil kann jetzt der unverheiratete Vater auch die Alleinsorge beantragen", sagt Fachanwältin Rakete-Dombek. Im Vordergrund würde aber weiterhin immer das Kindeswohl stehen. Das Gericht müsse dann klären, ob die Mutter ungeeignet oder schlechter als der Vater geeignet sei, für das Kind zu sorgen. dpaSaarbrücken. Der sozialpolitische Sprecher der FDP im Saar-Landtag, Christoph Kühn, hat das Urteil des Bundesverfassungsgerichts, in dem die Rechte lediger Väter gestärkt werden, begrüßt. Kühn sagte: "Kinder haben einen Anspruch auf beide Elternteile. Daher darf den Vätern die Mitwirkung in der Kindererziehung nicht vorenthalten bleiben." Auch die Linksfraktion lobte die Karlsruher Entscheidung. "Es darf keine Väter erste und zweiter Klasse mehr geben, ein verantwortungsvolles Vatersein darf nicht vom Trauschein abhängen, sagte die rechtspolitische Sprecherin Birgit Huonker. red "Das Urteil macht mich richtig froh."Der ledige Vater Helge Messner

HintergrundIm Saarland ist der Anteil der unehelich geborenen Kinder in den vergangenen zwei Jahren massiv gestiegen und hat 2009 einen neuen Rekord erreicht: Bei fast jedem dritten Neugeborenen (30,4 Prozent) waren die Eltern nicht miteinander verheiratet. Im Jahr 2000 war dies nur bei jedem fünften Kind (20,6 Prozent) der Fall, 1990 bei jedem zehnten (9,8).Nach der jüngsten Statistik leben im Saarland derzeit rund 49 000 Kinder bei knapp 36 500 alleinerziehenden Müttern und Vätern, wobei die Mütter (30 600) deutlich in der Mehrzahl sind. Die Zahl der Alleinerziehenden insgesamt ist im Vorjahr im Vergleich zu 2008 um rund 2700 gesunken. Bei verheirateten Eltern lebten 2009 rund 185 000 Kinder, weitere 8400 in Lebensgemeinschaften. tho

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