Vom Kinderarzt zum Massenmörder

Kairo. Man nennt ihn seit langem "das Gehirn" des Terrornetzwerkes: Jetzt übernimmt Osama bin Ladens langjähriger Vertrauter und Stellvertreter Aiman al-Sawahiri (Foto: dpa) die Leitung von Al Qaida

Kairo. Man nennt ihn seit langem "das Gehirn" des Terrornetzwerkes: Jetzt übernimmt Osama bin Ladens langjähriger Vertrauter und Stellvertreter Aiman al-Sawahiri (Foto: dpa) die Leitung von Al Qaida. In einer gestern verbreiteten Botschaft der Al-Qaida-Führer heißt es, man werde unter Sawahiris Leitung den Kampf gegen die USA und Israel fortsetzen, diese "häretischen Invasoren", und all jene, die diese unterstützten.Der 60-jährige ägyptische Kinderarzt ist seit dem Tod Bin Ladens am 2. Mai auf den ersten Platz der Liste der meistgesuchten Terroristen aufgerückt. Die US-Regierung hat auf ihn ein Kopfgeld von 25 Millionen Dollar ausgesetzt. Über seinen Aufenthaltsort gibt es nur Vermutungen. Möglicherweise hält er sich im Grenzland zwischen Afghanistan und Pakistan auf. Sawahiri gilt seit langem als Hauptideologe und Stratege von Al Qaida.

Er entstammt einer hoch angesehenen Familie. Der Onkel seines Vaters war Groß-Imam von Al-Azhar. Sein Vater war Universitätsprofessor, der Vater seiner Mutter Rektor der Kairoer Universität. Sawahiri wuchs im wohlhabenden Kairoer Bezirk Maadi auf. Doch seine Familie achtete auf moralisch strikte Lebensregeln. Sawahiris Hang zu fundamentalistischer islamischer Ideologie zeigte sich schon im Alter von 15 Jahren, als er eine extremistische Studentengruppe organisierte.

Nach der Ermordung des ägyptischen Präsidenten Sadat 1981 zählte Sawahiri zu tausenden Ägyptern, die ins Gefängnis wanderten. Er harrte dort drei Jahre lang aus und soll nach Berichten von Zeitgenossen die Kerkermauern als anderer Mensch verlassen haben. Manche Analytiker glauben deshalb, Sawahiri sei durch die massive Repression islamistischer Kräfte durch das Regime Mubarak in die Gewalt getrieben worden. Er stellte sich an die Spitze des ägyptischen "Islamischen Dschihad". Zu den Attentaten zählte ein Anschlag auf Touristen in Luxor 1997, bei dem 68 Menschen ums Leben kamen. Um der Verhaftung zu entgehen, flüchtete Sawahiri zunächst in den Sudan, arbeitete als Arzt im pakistanischen Peschawar und traf schließlich auf Bin Laden. Gemeinsam richteten sie in Afghanistan ihre Terrorzentren ein. Nach Erkenntnissen von Geheimdiensten soll Sawahiri weit mehr in die Planung der Anschläge vom 11. September 2001 in den USA verwickelt gewesen sein als Bin Laden.

2001 starben Sawahiris Frau und vermutlich vier seiner Kinder bei einem amerikanischen Luftangriff in Afghanistan. Er selbst war seither mit Bin Laden auf der Flucht. Innerhalb des Netzwerkes dürfte er nicht auf die einhellige Zustimmung stoßen wie Bin Laden, zudem fehlt ihm auch das Charisma des verstorbenen Terrorchefs. Seine Ziele sind unverändert radikal: bedingungsloser Kampf gegen den Westen.

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