Vitaminpille für den GlaubenHoffnung auf Ökumene-Fortschritte gedämpft

Dresden. So schön kann Kirche sein. 120 000 Menschen säumen das Dresdner Königsufer, an dem Geistliche auf einer mächtigen Bühne predigen und beten. Die Sonne strahlt vom blauen Himmel und setzt die historische Stadtsilhouette, die Canaletto einst so unerreicht porträtierte, ins Licht. Etwas abgekämpft, aber glücklich sehen sie aus, die Teilnehmer des 33

Dresden. So schön kann Kirche sein. 120 000 Menschen säumen das Dresdner Königsufer, an dem Geistliche auf einer mächtigen Bühne predigen und beten. Die Sonne strahlt vom blauen Himmel und setzt die historische Stadtsilhouette, die Canaletto einst so unerreicht porträtierte, ins Licht. Etwas abgekämpft, aber glücklich sehen sie aus, die Teilnehmer des 33. Evangelischen Kirchentags mit ihren grünen Schals. Am Sonntag versammeln sie sich nach fünftägigem Veranstaltungsmarathon zum letzten Mal, um ihren Glauben zu zelebrieren, Gemeinschaft zu erleben. Die Problemschwere mancher Kirchentagsforen zu Energiewende oder einer gerechteren Welt ist weg. Singen, beten und umarmen heißt die Devise - und Adressen austauschen.Ein schönes Fest des Glaubens hat Dresden erlebt, keine Frage, vielleicht den "ersten gesamtdeutschen Kirchentag", wie Präsidentin Katrin Göring-Eckardt meint. Ein Drittel der Teilnehmer kam aus dem Osten in die stolze Sachsen-Metropole, insgesamt strömten mehr Menschen als erwartet nach Dresden. Selbst die Organisatoren waren überrascht, liegt die Stadt doch in einer extrem säkularisierten Region, in der sich nur noch jeder vierte oder fünfte zum christlichen Glauben bekennt.

"Es gibt eine neue Lust auf Theologie", schließt Göring-Eckardt aus der Resonanz und den Debatten. Ob indes der Kirchentag zwischen Ostsee und Chemnitz, Halberstadt und Frankfurt/Oder wirklich nachhaltige Wirkung für die evangelische Kirche entfaltet, darf als offen gelten. "Dass allein eine solche Großveranstaltung zu einem Aufschwung führt, wage ich doch zu bezweifeln", hatte der Religionssoziologe Olaf Müller von der Universität Münster schon vor dem protestantischen Laientreffen erklärt. Sicher allerdings war der Kirchentag eine Vergewisserung im eigenen Glauben und die Erfahrung als große Gemeinschaft in einer immer säkulareren Umgebung.

Ein Kirchentag des Glaubens war es, aber noch viel mehr ein politischer Kirchentag. Schon früh hatten die Organisatoren um Bundestagsvizepräsidentin Göring-Eckardt von den Grünen das Thema Atom auf die Agenda gesetzt, das nach Fukushima eine ganz neue Dynamik entfaltete. Etliche Veranstaltungen drehten sich um den Atomausstieg, der parallel zum Kirchentag in Berlin von Regierungskoalition und Ländern festgezurrt wurde.

Mit der Integration von Zuwanderern, dem sexuellen Missbrauch und Auslandseinsätzen der Bundeswehr standen weitere vieldiskutierte Reizthemen im Mittelpunkt. Doch gab es dabei auf den Podien und in den übervollen Hallen kaum wirklich Streit, wirkliches Fetzen oder empörte Zwischenrufe wie auf Kirchentagen vergangener Jahrzehnte.

Stattdessen Beifall für Politiker wie Bundespräsident Christian Wulff, Verteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU), SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier oder seine Grünen-Kollegin Renate Künast. Selbst als Kanzlerin Angela Merkel (CDU) erklärt, Flüchtlinge aus Tunesien seien unerwünscht in Europa, gibt es in der Halle keinen Aufschrei - obwohl beide großen Kirchen vehement eine neue Flüchtlingspolitik fordern.

Ist das die "neue Mitmachkultur", die Katrin Göring-Eckardt auf dem Kirchentag ausgemacht hat? Der Kirchentag sei eine Veranstaltung der nachdenklichen Töne, keine Talkshow, gibt sie zu bedenken. Der "Störenfried", wie einst Gründer Reinold von Thadden den Kirchentag verstand, hat an Biss verloren.

Dresden. Fragen der Ökumene und der Umweltpolitik haben am Wochenende den Kirchentag in Dresden bestimmt. Die höchsten Repräsentanten der beiden großen Kirchen in Deutschland dämpften Hoffnungen auf schnelle Fortschritte bei der Annäherung der Konfessionen. Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Erzbischof Robert Zollitsch, erklärte, eine übereilte Annäherung von Protestanten und Katholiken würde Konflikte innerhalb der katholischen Kirche verschärfen. Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Nikolaus Schneider, mahnte: "Das Tempo muss stimmen." Zur strittigen Frage des gemeinsamen Abendmahls sagte Zollitsch: Dass die katholische Kirche zu ihrem Abendmahl keine Protestanten zulässt, sei keine Frage der Gastfreundschaft, sondern der theologischen Überzeugung. Auch bei der Frauenordination trenne ein unterschiedliches Verständnis, konstatierte der Freiburger Erzbischof. Jesus habe für den Dienst der Apostel allein Männer ausgewählt.

Bundeskanzlerin Angela Merkel unterstrich in einem Vortrag vor 5000 Kirchentags-Besuchern die Notwendigkeit einer UN-Organisation für Umwelt. Die Bundeskanzlerin forderte darüber hinaus die weltweite Wahrung der Religionsfreiheit. "Wir reichen allen Religionen die Hand zu einem guten Dialog", sagte Merkel. Gleichzeitig müssten Christen in anderen Ländern sicher sein, dass das auch für sie gelte. epd

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