Islamfeindliche Bewegung Vier Jahre „Pegida“ bedeuten Hass und Hetze auf der Straße

Dresden · Fast 200 Ermittlungsverfahren hat die Staatsanwaltschaft in Zusammenhang mit der islamfeindlichen Bewegung in Dresden eingeleitet.

 2015 hielten „Pegida“-Demonstranten einen Galgen hoch, der für Kanzlerin Merkel und den damaligen Vizekanzler Gabriel „reserviert“ war. Die Staatsanwaltschaft ermittelte.

2015 hielten „Pegida“-Demonstranten einen Galgen hoch, der für Kanzlerin Merkel und den damaligen Vizekanzler Gabriel „reserviert“ war. Die Staatsanwaltschaft ermittelte.

Foto: dpa/Zentralbild

Die Zahlen sind mehr als deutlich: Im Zusammenhang mit „Pegida“-Demonstrationen hat die Staatsanwaltschaft in den vergangenen vier Jahren 198 Ermittlungsverfahren eingeleitet. 25 Verfahren liegt nach Angaben des sächsischen Justizministeriums eine mutmaßliche gefährliche Körperverletzung zugrunde. Bei weiteren 25 Fällen gehen die Ermittler vom Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen aus.

Ermittelt wird demnach sowohl gegen Redner als auch gegen Teilnehmer der fremdenfeindlichen Versammlungen. Vor genau vier Jahren, im Oktober 2014, gingen die selbsternannten „Patriotischen Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes (Pegida)“ erstmals auf die Straße. Anfang 2015 zogen die Kundgebungen in Dresden mehr als 20 000 Menschen an. Danach sanken die Teilnehmerzahlen kontinuier­lich – auf derzeit etwa 2000 Anhänger.

Zum vierten Jahrestag plant die Bewegung an diesem Sonntag eine Demonstration auf dem Neumarkt. Dagegen formiert sich breiter Gegenprotest der Bürgerbündnisse – erstmals mit Beteiligung eines sächsischen Ministerpräsidenten. Regierungschef Michael Kretschmer (CDU) will mit dem Verein „Dresden.Respekt“ und anderen Initiativen gegen Rassismus auf die Straße gehen und eine Rede halten.

Vier Jahre „Pegida“ bedeuten auch vier Jahre Hass und Hetze – gegen Politiker, Journalisten und Andersdenkende. Menschen in Dresden würden auf die Straße gehen und ihre Meinung sagen – das sei Meinungsfreiheit, sagte Kretschmer kürzlich bei einem „Sachsengespräch“ mit Bürgern in der Dresdner Staatskanzlei. Nicht tolerieren aber könne er, wenn menschenverachtende Rufe wie „Absaufen“ mit Blick auf private Seenotretter und Flüchtlinge im Mittelmeer skandiert würden oder wenn er von Menschen anderer Herkunft höre, dass sie an Montagen in der Dresdner Innenstadt Angst hätten.

Nur friedlich – wie die „Pegida“-Bewegung sich gern immer wieder bezeichnet – ist sie nicht. In jüngster Vergangenheit häuften sich auch Angriffe auf Journalisten. Für Aufsehen sorgte zudem der „Hutbürger“ – ein Mann mit einem Hut in den Farben der Deutschland-Flagge – der bei einer Protestaktion von AfD und „Pegida“ in Dresden anlässlich eines Besuchs der Bundeskanzlerin ein Fernsehteam an der Arbeit hinderte und angezeigt hatte. Später stellte sich heraus, dass er Mitarbeiter im Landeskriminalamt war.

Angriffe gegen Journalisten gab es zudem bei den Demonstrationen in Chemnitz nach dem gewaltsamen Tod eines Deutsch-Kubaners Ende August. Auch „Pegida“-Anhänger hatten sich an den Protesten beteiligt. Reporter wurden mit Flaschen beworfen. Spätestens in diesem Jahr hat „Pegida“ den lang angestrebten Schulterschluss mit der AfD vollzogen. In Chemnitz demonstrierten „Pegida“-Gründer Lutz Bachmann und andere führende Mitglieder in einer Reihe mit AfD-Parteifunktionären. Zuvor waren AfD-Mitglieder mehrfach bei „Pegida“-Demonstrationen aufgetreten.

„Pegida“ sei erfolgreicher denn je und wachse weiter, nur unter einem anderen Namen, nämlich AfD, bilanziert der Dresdner Politologe Werner Patzelt. Von Anfang an hätten die meisten der „Pegida“-Demonstranten angegeben, im Fall einer Bundestagswahl am nächsten Sonntag ihre Stimme der AfD zu geben. Sie gehörten zur Kernwählerschaft dieser Partei, die 2017 in den Bundestag einzog.

„Unsere Gesellschaft ist gespalten, so tief wie schon lange nicht mehr zwischen selbsternannten ‚Anständigen‘ und zweckdienlich definierten ‚Nazis‘“, sagt Patzelt. Reale politische Veränderungen wie die Zuwanderung von mehr als einer Million Menschen binnen kürzester Zeit hätten eine „zumindest gefühlte Veränderung der Sicherheitslage im Land und den Nährboden für ein weiteres Anwachsen der AfD als ‚Pegida‘-Partei geschaffen“, so der Wissenschaftler.

„Pegida“-Chef Bachmann ist ein mehrfach vorbestrafter Krimineller, Redner und Teilnehmer der Kundgebungen haben zum Teil schwerwiegende Straftaten begangen. Für den sächsischen Linken-Politiker Andre Schollbach zeigen die zahlreichen Delikte gegen die öffentliche Ordnung eines ganz deutlich: „den demokratiefeindlichen Charakter von ‚Pegida‘“.

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